Dienstag, 22. November 2011

Mia - Freistil-Yoga.

Der goldene Herbst im Breitsch ist Geschichte. Winterstimmung allenthalben, noch ohne Schnee, riecht aber verdammt danach. Wichtig: Indian Summer my ass. Nun, der Vorwinter bringt auch Erfreulichkeiten: die illegalen Wahlplakaten zwischen Köniz und Schwarzenburg haben Ihr Ziel verfehlt. Der braune Oberländer sitzt nicht mehr im Stöckli. Item. Gestern tanzend im Wasserwerk. Im Raucherraum sitzen mehr Leute als Tanzende auf der Tanzfläche. Plötzlich gesellt sich Feuer zum Rauch. Highheel-Frauen fliehen panisch und notfallmässig bloss barfuss in den Hauptraum. Panik sieht bescheuert aus. Wir tanzen weiter und riechen wie Landjäger. Der Türsteher löscht die Kleinigkeit. Die Musik bleibt minimal und gar nicht aufbrausend. Dennoch adäquat. Tanze weissweinig. Die Schritte immer näher an einen Lederjackenmann. Ein Mann mit einem aggressiven Gesicht. Taxi-Driver-ig. Die Wut zieht mich an. Plötzlich tanze ich neben und hie und da irgendwie unter ihm. Später kurz an der frischen Luft. Dort steht er, raucht und ich erkenne „Wenn Hormone auf Musik treffen, verliert immer der Geschmack.“ Nun, er mag meinen Geschmack. Hinter der Härte seines Gesichts verbirgt sich ein Brävling. Zack: seine Hand auf meiner Schulter, auf meiner Hand. Ich sage nichts. Stunden später, alleine im Bett liegend nehme ich mir vor „Frau sollte meist schneller mit einem beherzten ‘Fick Dich’ zur Hand sein.“ - Unkaterig erwache ich, plane nach dem Morgenkafi meine Stimmung mit Yoga zu heben. Funktioniert nicht. Yoga wird überbewertet (wie übrigens auch Paulo Coehlo und Till Schweiger und Roger Schawinksi). Aber schliesslich ist Yoga auch nicht olympisch. Stellen Sie sich das einmal von: Beni Turnheer von den Olympischen Spielen in London: „Herzlich willkommen, liebe Freunde des Yoga-Sports. In wenigen Sekunden sitzt die Schweizermeisterin im Freistil-Yoga auf das Mätteli. Da steht sie schon, Mia aus 3014 Bern...“.

Samstag, 1. Oktober 2011

Vladimir - Gringaschmetterling.

Monbijou - noch ohne Gringa
Im Monbijou liegt sie neben mir, die Marshmallow-Gringa. Weiss ziemlich genau, wie sie und ich in meiner Wohnung, in meinem Bett gelandet sind. Die Augen noch geschlossen befürchte ich einen Morgen voller Peinlichkeiten. Wobei dieser wäre immerhin besser als eine Nacht in Einsamkeit. Doch meine Ängste sind grundlos. Sie liegt neben mir und schweigt - zunächst. Sie schweigt und lächelt. Dieses Lächeln ist ein echtes Lächeln, denn die Augen machen mit. Kafitrinkend erzählt sie: Consulting-Job, Flughafenaffinität, Männergeschichten, Auftragsflaute, Workforce reduction, etwas mit Tabletten. Aber auch Just because I am losing does not mean that I am lost. Sie ist seltsam, neuanders. Sie schweigt wieder und später will sie gehen, da der Blackberry eifrig rasselt. Begleite mich ein Stück. Es könnte amüsant werden, meine ich. Sie bleibt und wir gleiten zusammen. Sie strahlt mehr Wärme aus als ich. Mit neuen Sätzen strickt sie sich ein neues Leben. Im Zustand der Verpuppung. Der Gringaschmetterling ist eine Frage der Zeit. Mehr Kafi, dann Felsenaubier und in Gedanken Marshmallows. Noch mehr Sätze. Sie sprudeln aus Ihrem blassroten Mund. Durch die Lücke zwischen den gebleichten Zähnen (aka Vanessa Paradis-Gebiss) hindurch. Die Worte füllen meine leeren Blätter. Der Regen draussen dämpft den Verkehrslärm. Schön leise.

Donnerstag, 29. September 2011

Mia - Ich fordere Verwirrung.

Goldener Herbst im Breitsch. Blätter fallen. Roter Nagellack löst sich auf. Ich liege im Bett und fühle mich wie eine Tiermenschin, vorwinterschlafig. Gegen Mittag schlurfe ich zum Briefkasten, im Bademantel, von der Hoffnung begleitet, dass dieser Ausflug nicht in einem Gespräch münden möge. Schlimmstenfalls mit den Nachbarn. Die mit dem Kind stampfenden Kind von oben. Ich streife das kalte Treppengeländer. Meine nackten Füsse auf den Fliessen. - Schwein gehabt. Nachbarn on tour. - Im Briefkasten Drrr Bund und Werbung. Wieder nur Werbung. Tami. Ich will doch Liebesbriefe. Stattdessen gönne ich mir am Küchentisch sitzend: müdes Müesli und  Musik von Republica. Laut, lauter, immer lauter. Um die eigenen immergleichen Gedanken nicht mehr hören. Aber die Haare fangen die Monotonie auf. Fantastisch schweife ich ab: Der diagonale Blumenschenker soll nun an der Türe klingeln. Laut, beharrlich. Auf das Glas klopfen. Lasse in herein. Er füllt gleich den Raum mit Lärm, Chaos und Verwirrung. Ich fordere Verwirrung! Ich fordere Lachen und Kreischen. Umarme mich, dusche mich mit Küssen! - Aber eben, in meiner realen Welt geht es um illegale Wahlplakate zwischen Schwarzenburg und Gasel, Krankenversicherungen und Take-away-Aktionen. Schön. Später im Coop, in den Knöchel gerammt von einer rabiaten Rentnerin. Ich meine lapidar „Kein Problem“. Offensichtlich eine sehr dämliche Antwort. Wenigstens sind jetzt Prosecco, Mayonnaise und Paprika Chips in meiner Einkaufstüte. Also Abendessen. Aber wo steckt bloss der Blumenschenker? Es gibt noch manche Stille, welche ich für Dich mit einem Tänzchen füllen möchte.

Freitag, 16. September 2011

Vladimir - Moules und Marshmallows.

Zufriedene Marshmallows, mehrfarbig
Im Ringgi gibt es Moules, frisch gepflückt, da reif. Etwas erzwungen finde ich die herbstliche Moulerei angesichts der Meerferne schon, aber eben, ist halt Saison. Mit ehemaligen Arbeitskollegen trinken wir sanftmütigen Weisswein und essen maritimes Fleisch. Dazu gehört selbstverständlich die Verbalisierung der auf Xing notierten beruflichen Meilensteine. Mir geht durch den Kopf, dass mensch sich irgendwann grundlegend entscheiden muss: sonntags mit dem Jaguar ins Büro oder montags mit dem Velo an den Strand. Ich wähle jeweils tagesunabhängig mit dem Schinkengipfeli im Tram. Diagonal, hinten rechts, guckt eine Frau. Gucktlächelt. Ich ahne, dass sie mich meint. Später bin ich sicher. Wir sprechen draussen, rauchend, miteinander. Noch vor dem ersten Zigiende: „You met me at a very strange time in my life.“ Sie ist eine Gringa. Eine schöne Gringa, wenn auch flachschuhig. Vor dem Kafi, welches ich gar nicht trinke, wird erneut geraucht. Ich überlege mir mein Leben kurz zu speichern und einen Versuch mit Gringa zu wagen. Sie will auch. Bereits mit geschlossenen Augen flüstert sie mir im Bett zu „Zufriedenheit feels like Marshmallows“.

Samstag, 10. September 2011

Mia - Roter Nagellack geht immer.

Bored in Prishtina
Erwache in meinem eigenen Bett, noch in den Jeans. Immerhin, könnte ja auch ein fremdes Bett ohne Jeans sein. Gestern im Wasserwerk, unten in der Matte. Noch einmal so richtig die Nachbarn stören. Ein Mann war dort. Mit ihm eine Frage: „Wie geht es Dir?“ Immer diese nutzlose Füllerfrage. Habe bloss gegrunzt. Er antwortet mit einem Drink für mich. Schlürfend möchte ich schreien „Bring’ mich so richtig zum Lachen, dann hast Du mich schon fast.“ Stattdessen schweige ich mysteriös-dämlich und er erzählt von Dienstreisen, kulturell schampar spannend und irgendwelchen Vertragsabschlüssen. Dazwischen wieder ein Drink und plötzlich ist Mia betrunken. Einfach so. Wankend höre ich dem Manngeräusch zu, klammere mich dabei an süsse Melancholie und betrachte meine Fingernägel. Die Erkenntnis: „Roter Nagellack geht immer.“ Er brabbelt weiter, seltsamerweise nicht über Nagellack. Ich verlasse ihn. Zuerst im Kopf und dann mit den Füssen. Und nun liege ich eben im Bett und schlafe eigentlich noch. Wachschlaf in Jeans. Frau Rickli, Herr Mumenthaler und das Meerschweinchen Kaurismäki sind weit weg. Bettfertig sein ist tami anstrengend.

Sonntag, 4. September 2011

Vladimir - Atemlosigkeit.

Schmallippig in St. Petersburg

Aufgeben mag ich nicht. Mia aus der Halbgrossstadt Bern ist irgendwo. Aber derzeit fühle ich mich krokodilig und fokussiere auf das Rasenmähen sowie auf das gelegentliche Verspeisen von Ungesundkeiten. Überhaupt sind alle angenehmen Dinge entweder illegal, unmoralisch oder sie machen dick. Andere Gesetze und Anstandsregeln wären spassiger. Item, so ist es halt nicht. Machen wir weiter im Wissen, dass die pure Vernunft niemals siegen darf. Dennoch schreibe ich vernünftigerweise Einkaufslisten und notiere Geburtstage. Sonst gibt es ein Puff im Fadechörbli. Und eben, in dieser vernünftigen Normalität passiert nix. Bloss eine Aneinanderreihung von Momenten, in denen wir atmen. Das Leben, das richtige Leben besteht hingegen aus Momenten, die uns den Atem rauben. Atmen wird überbewertet. Atmen am Tag, atmen nachdem die Sonne untergegangen ist. Wobei die Bedeutung nachts um ein Vielfaches leuchtet.