Dienstag, 15. Dezember 2009

Mia - Irgendwie Salvador Dalí-esk.


Den ersten Schnee könne mensch riechen, behaupten die FreundInnen des Winters erfreut. “Ja ja“ denke ich, “die belügen sich selbst“. Ob nun Lüge oder Wahrheit, kalt ist dieser Schnee trotzdem. Bärig sitze ich von November bis März mehrheitlich in meiner Wohnung. Dort stelle ich regelmässig Möbel um. Schränke und Schränkchen werden ausgemistet. Dieser ganze Ghüdder (inkl. Bankbelege 97) muss weg. Die Entleerung des Lebens. Aber bloss temporär. Denn die Füll- und Völlerei jagt durch den Advent. Diese Zeit ist üppig bestückt mit triefenden Sossen, Güetzis und dem alkoholischen Bisi des Teufels. Menschen rühren rührselig in Fondues bis sie die Umwelt durch Salvador Dalí’s Brille sehen. – So ging es mir auch gestern. Ordentlich betrunken brabbelte ich über Mann und Frau, um dann halsbrecherisch mit dem Satz “Wer anderen in die Möse beisst, ist böse meist“ zu enden. Einige lachten leise, andere schwiegen laut. Noch einen Schluck Rotwein und dann war der Sonntag, dieser Advents-Rollschinkli-Zimtstern-Rioja-Sonntag zu Ende.

Plötzlich Montag. Ein mustergültiger Montag. Innerlich schreie ich “Es ist zu Montag!“ Und diese Montage sind keine richtigen Tage. Eher helle Nächte. An der Tramstation am Viktoriaplatz stelle ich fest, dass die meisten älteren Menschen irgendwie ähnlich aussehen. Liegt vermutlich an den Coiffeuren. Im Tram über die Kornhausbrücke, neuerdings mit diesem Netz. Ratlos gucke ich. Zuerst auf das Netz. Dann auf meine Fingernägel. Die sind schmutzig. Ich sollte sie neu lackieren.

Item. Jetzt will ich nach Hause. Eigentlich will ich immer nach Hause. Auch wenn ich schon dort bin.

Sonntag, 1. November 2009

Vladimir - Manchmal bin ich ein Fisch.


Im Regen kann mensch Regenwürmer riechen.

Monbijou, nächtliches Monbijou. Im Bubenalter habe ich bereits in diesem verschlafenen Quartier geschlafen. Damals noch in einem doppelstöckigen Bett. Unter mir der grosse Bruder, über mir die Sterne und ein lachender Mond, welche meine Mutter an die Decke geklebt hatte. Die Himmelsgestirne leuchteten matt und gaben mir Orientierung in der Nacht. Heute orientiere ich mich am Handy-Display. Ich bin wach und es ist spät.

…Kniescheiben wie Frisbees…

Meine Laune ist neutral. Weshalb bloss? Warum steigt die Freude nicht in mir auf? Dabei habe ich sie heute gesehen. Mia, die Tänzerin. Nicht bloss diagonal gesehen. Ich habe sie auch gehört. Nur Satzfetzen, aber immerhin.

Ein Penis kommt selten allein. Dies gilt auch für Dich, Du trümmliger...

Ich wäre so gerne der Mann, der sie nicht bloss ansieht, nicht bloss zuhört, sondern der Mann der aufsteht, zu ihr geht. Ich wäre so gerne der Mann, der Dich mit einem Satz verzaubert. Aber ich bin ein Fisch und bleibe stumm. Stumm. Stumm.

Manchmal interessiert mich Deine Meinung einfach nicht. Tami.

Dann stehst Du auf, ein erstaunlich leiser Vorgang, ziehst Dich zwiebelmässig an. Dein Gesicht, beinahe regungsfrei. Deine Augen leicht zusammengedrückt. Ich erahne eine Suche in den Erinnerungen. Da, da. Du weisst wer ich bin. Deine Mundwinkel heben sich. Ich bleibe wachsfigurig. Du gehst. Ich denke an Deine blutroten Zehennägel. - Ich brauche mehr Zeit zum Schlafen. Denn der frühe Vogel, der kann mich mal.

Donnerstag, 15. Oktober 2009

Mia - Der BH-Gürtel. / Mia - The bra-belt.

Neben mir höre ich Schnarchatmen. Mein Kopf schmerzt, Nadeln suchen einen Ausgang. Ich öffne ein Auge und erblicke den Schnarchatmer, nackt neben mir. Dies ist nicht mein Bett, nicht mein Zimmer. Aber egal. Derzeit fokussieren sich meine Gedanken auf die Nadeln. Zudem muss ich pissen. Also aufstehen. Ich bin, abgesehen von einem BH, welchen ich als Gürtel trage, ebenfalls nackt. Wo ist bloss das WC? Wasser auf meinem Gesicht. Keine Tabletten vorhanden. Zähneputzen mit fremder Bürste. Eklig. Aber besser als fauler Mundgeruch. Zurück ins Bett. Der Mann ist wach. Er bietet Kafi an. Ich wünsche Panadol. Er bringt Kafi. Zurück im Schema: Kafi trinken, schmales Gespräch, Sex-mit-Dir-war-schampar-schön, Dusche, anziehen, Nummernaustausch (fakultativ). Auf der Strasse blendet mich die Helligkeit, trotz Hochnebel. Weshalb lande ich regelmässig in fremden Betten? Ich bin doch zu erfahren dafür, aus unbekannten Häusern zu fallen, meine Kleider verkehrt herumtragend und erst noch nicht ahnend, wo ich bin und wie ich wieder in den Breitsch komme. Eine Aneinanderreihung der Unverbindlichkeit. Dabei suche ich wohl Liebe. Liebe ist ein schönes Wort. Nashornscheisse auch. Aber eben. Es ist hart Single zu sein, insbesondere wenn Du an Hochzeiten eingeladen wirst. Also soll die Unverbindlichkeit begraben werden? Was gestern noch selbstverständlich war, kann heute schon unmöglich sein. Ich brauche eine Tablette und ein Cola und meinen Bund und mein Wohnzimmer, also das Diagonal.

Next to me I hear snore-breathing. My head hurts, needles are searching an exit. I open one eye and see the snore-breather, naked next to me. This is not my bed, not my room. But who cares. Presently my thoughts are focused on those needles. And I got to pee. So I get up. I am, besides a bra that I am wearing as a belt, also naked. Where is the bathroom? Water on my face. No pills in the cupboard. Brushing my teeth with his brush. Aah. But better than decayed breath in my mouth. Back to bed. The man is awake. He offers coffee. I request Panadol. He gets coffee. Back to the usual pattern: drinking coffee, “narrow” talk, sex-with-you-was-“schampar“-nice, shower, get dressed, exchange of phone numbers (facultative). Back in the streets the intensity of the light bedazzles me, despite high fog. Why do I regularly end up in unknown beds? I should be experienced enough, not to fall out of weird houses, wearing my clothes like Kris Kross, not even knowing where I am and how I get back to the Breitsch. A sequence of non-commitments. Probably I am searching for love. Love is a beautiful word. Rhino-shit also. „Item“. It is tough to be alone, especially at marriages. Should the non-commitments be buried? What was self-evident yesterday may be impossible today. I need a pill and a coke and my ”Bund“ and my living room, thus the ”Diagonal“.

Mittwoch, 14. Oktober 2009

Vladimir - Hip Hop ohne Mia.


Die Schinkengipfelisituation lässt mich verzweifeln. Vermutlich im Zuge der Vereinheitlichung im Rahmen der vorauseilenden Anwendung der „EU-Verordnung über die Normierung minimal gekrümmter Hörnchen mit Fleischzusatz vom Zuchtschwein“ verschlechterte sich die Konsistenz von Schinkengipfelis auf dem Platz Bern markant. Ich bin verzweifelt. Und da mensch seiner Sehnsucht und nicht seiner Verzweiflung folgen sollte, habe ich mir Rezepte („333 Schinkengipfelirezepte für die moderne Hausfrau“, Emma Verlag, Langenthal, 1949) im Stauffacher beschafft und backe mir die sehnsüchtig von meinem Gaumen erwarteten Dinger selbst. Nach der Backerei und dem Verzehr (inkl. Verbrennung) eines Eigenproduktionsschinkengipfelis gehe ich an eine Party. Eigentlich eher zufällig. Dort spreche ich mit einem unsicheren Mann. Er erklärt: „Ehrlichkeit ist ein zweischneidiges Schwert. Alle sagen, dass sie Ehrlichkeit wollen, aber keiner will sie wirklich hören.“ Das macht in meinem Kopf gerade noch Sinn. Dann mit einer sehr dünnen Frau: Sie meint „J’adore le hip-hop.“ Nichts ist süsser als eine Welsche die „Hip Hop“ sagt. Aber eigentlich langweile ich mich. Aber es ist schwer zu gehen, wenn alle anderen bleiben. Ich gehe dennoch. Zuhause gucke ich eine Wiederholung von Aeschbacher. Die Nacht ist oft zu schön, um zu schlafen. Heute ist nicht so eine Nacht. Ich gehe schlafen, ohne Mia.

Montag, 17. August 2009

Mia - Das Meerschweinchen Kaurismäki.


Meine Coop-Bulgarin ist weg. Jetzt muss ich wieder diese “Haben-Sie-eine-Supercard“-Frage beantworten. Tami. – Egal. Es ist Sonntag, wobei dieser noch nach Samstag riecht. - Eben in der Turnhalle gewesen. Im ersten Stock. Einem ersten Stock der so tut, als wäre er drei Stockwerke hoch. Dort gibt es temperaturgerechte Musik aus dem Süden Amerikas. Die Menschen saufen schon bei den Treppen, weiter bei der Eingangstüre, selbstverständlich an der Bar, vermutlich sogar am Pissoir stehend. Auf die Schirmchendrinks wird hier verzichtet. Auch Niedrigprozentiges wie Bier und “Panache“ hat Hausverbot. Die Menschen schnattern, brabbeln. Männer zeigen Brusthaare, Frauen zeigen Brüste. Ein Mensch mit Brusthaaren nimmt mich an der Hand “Tanz’ mit mir“. Ich bin bereits zu betrunken für Widerstand. Er schwenkt mich durch den Raum. Einfache doppelte Drehungen. Mir wird nicht schlecht. Später sitzen wir draussen im Garten. Er spricht und spricht. Aber seine Monologe bringen das Gespräch nicht weiter. Ich eile zur Rettung und verkünde gesprächsflussfördernd „Alkohol ist die Antwort“. Er nickt. Ich schweige, denn ich habe die Frage vergessen. Später bei ihm. Eine Wohnung wie gekotzt. Pastell gekotzt. Noch immer besoffen werfe ich ihm vor „Wenn Du schon dumm bist, stell’ wenigstens einige Bücher ins Gestell.“ Er sagt nix mehr. Er sitzt bloss noch, irgendwie liegend. Neben ihm ein Meerschweinchen, ein leuchtendes Meerschweinchen namens Kaurismäki.

Montag, 3. August 2009

Vladimir - Sofas in Iselle.


Zügig abgebraust. Im Gepäck Wasser, Schinkengipfeli und ein anstrengendes Buch über ein versprochenes Land. Das Zeugs schleppe ich teilweise im Rucksack, teilweise in meinem Magen bis ans Mittelmeer. Zwei Stunden am Meer, in Italien. Müde bin ich. Wenn mensch sechs Stunden nachts im Bett und vier Stunden tags im Zug schläft, ist er danach immer noch müde. Item. - Dann eigentlich wieder zurück nach Bern, ins Monbijou. Aber an der Italienisch-Schweizerischen Grenze stellen die Zöllner überraschenderweise eine Sans-Papiers-Situation (SPS) meinerseits fest. Ich bin auch überrascht. Wir einigen uns kollegial, dass ich eine Nacht auf der Grenzstation verbringe. Während dieser Zeit soll meine Identität abgeklärt werden. Eine Nacht in Iselle also. In meinem Zimmer auf einem Sofa sitzend lese ich im anstrengenden Buch. Die entscheidende Erkenntnis: Niemals in fremde Sofaritzen fassen, niemals. Die Zöllner gucken TV. Alle Fernsehfrauen sind Schwestern von Michelle Hunziker. Die Männer kleiner. Ich akzeptiere die Wachheit und trinke Kaffee. Interessanterweise schmeckt Kaffee aus Tassen nur halb so gut wie Kaffee aus Bechern. Um sieben Uhr meldet sich die Predigergasse in Bern. Diese bestätigt mein Berner Leben. Zudem bestätigt sie meine Nichtbezahlung der letzten beiden Steuerraten. Der Teufel scheisst immer auf den grössten Haufen. Manchmal hat er Durchfall. – Wieder im Zug finde ich ein Schinkengipfeli. Etwas durchgehudelt, aber noch essbar. – Grundsätzlich ist das Glück eine Hure, welche sich heute als Schinkengipfeli verkleidet hat.

Sonntag, 12. Juli 2009

Mia - Schlussmachen mit Prince.


Erneut im Coop. Die lustige mittelalterliche Bulgarin bediente mich bei den Fleischwaren. Wir plauderten über den Thunersee, Michael Jackson und die Young Boys (olé!). Früher kriegte ich jeweils eine Scheibe Aufschnitt extra, einfach weil ich klein war. Nun, die Kindheit ist vorbei. Inzwischen wird auch nicht mehr Aufschnitt, sondern Filet bestellt. Ich werde dieses Filet essen. Das dazugehörige Viech ist aber längst gestorben. Und auch an uns wird sich niemand mehr erinnern. Aber dies ist eigentlich limitiert tragisch. Können wir doch tun und lassen was wir wollen, ohne Konsequenzen. Wobei es gibt Grenzen. Beispielsweise bleibt es dämlich, die Herdplatte zu berühren um herauszufinden, ob diese heiss ist. Denn Herdplatten können eben heiss sein. Zudem riecht verbrannte Menschenhaut jämmerlich. Gerne möchte ich diesen Geruch festhalten. Stinkende verbrannte Menschenhaut. Aber schade, Gerüche kann man nicht fotografieren. – Item. – Früher habe ich Prince geliebt. Nicht die Musik, nein, den Mann, dass Männchen Prince. Dann wurde er Veganer. Dies passte nur begrenzt zum Gratisaufschnitt im Coop. Aber in jeder Beziehung gibt es Kompromisse. Dann wurde er ein Zeuge von einem Typ namens Jehova. Schluss, genug ist genug. „Prince, you are the boyfriend formerly known as Prince. Leave now and leave the plants“. Da schnappte er sich die Revolution und verschwand. Seither bin ich überzeugt, dass die Liebe eine Erfindung der Musikindustrie, also vermutlich von Prince persönlich. Dabei wäre Distanz in einer Liebe, also angenommen es gäbe die Liebe überhaupt, ein wichtiges Gewürz. Wobei allenfalls war Prince’s Heimat, dieses Amilandia doch zu weit weg. Zürich hätte wohl gepasst. Mia Prince. Das hätte auch gepasst. Tami.

Mittwoch, 8. Juli 2009

Vladimir - Bloss Nicht-Mia.


Verschwunden ist sie. Im Frühling minutenlang diagonal aufgetaucht. Meine stümperhaft organisierte Tour de Berne blieb ohne Mia-Sichtungen. Inzwischen ist Sommer, tropischer Sommer. Mit täglichen Abendgewittern. Jeder Tag ist ein Tag, bevor der Regen fällt. Vielleicht ist Mia mit ihren blutenden Zehen in einem Senkloch samt Wasser verschwunden. Aber der Fluss fliesst auch ohne sie weiter…

… weiter wechselt die Aare munter zwischen grün und braun,
… weiter lebt ein König, welcher gestorben ist,
… weiter singt ein Prinz mit einer „taffen Kappe“,
… weiter geht die trümmlige Zersiedelung,
… weiter wird in der Formbar deutlich zuviel Kokain konsumiert.

Es geht also weiter, aber in der Summe bin ich etwas mürrisch, denn diese Stadt gleicht ohne Mia einem Verhütungsmittel. - Wenn eine schöne Nicht-Mia-Frau aus einem Auto steigt, denke ich „Mädchen sollten Unterhosen tragen, wenn sie aus einem Auto aussteigen.“ Einige Minuten später spreche ich dann mit dem luftigen Mädchen. Wobei eigentlich redet bloss sie. Ich werfe Nicht-Mia Tratscherei vor, sie meint „ich tratsche nicht, ich informiere.“ Da ich nicht bumsen will, muss ich auch nicht unbedingt freundlich sein und ignoriere sie, trinke noch ein Bier, mit Antipasti und Käse, wobei ich die Löcher weglasse. Später dann zu Fuss nach Hause ins Monbijou mit der Erkenntnis „Besoffen ist man, wenn man sich am Boden liegend, festhalten muss.“

Item. Ich vermisse die Ovomütze nicht und die Haare sind nachgewachsen.

Montag, 8. Juni 2009

Mia - Der Regen, bevor er fällt.


Geschlafen habe ich, von Freitag bis Samstag, kurzer Coop-Besuch (Supercard my ass!), dann faulenzen. Faulheit, so dünkt es mich doch, ist die Kraft sich auszuruhen, bevor frau müde wird. Die Faulheit habe ich mit Büchern und quasi-legalen Drogen gefüllt. Wobei ich um die Erkenntnis reicher wurde, dass sich Gras und Alkohol nicht besonders gut vertragen. Item. Bald wurde ich wieder müde und schlief mich in den Sonntag, den Sonntag Nachmittag. Dazwischen habe ich geträumt. Wieder von diesem diagonalen Mann, der mit der weissen Blume, wobei scheinbar ist er ein Velofahrer (Epo au lait), also auch ein Freund der Erweiterung des Bewusstseins. Wenigstens ist er nicht Motorradfahrer. Das wäre zwar auch auf zwei Rädern, aber irgendwie doof, weil Maschinen verdienen keine Leidenschaft, wobei das ist bloss meine Meinung. Nun, inzwischen ist Wochenende-Ende und ich lese weiter in einem Buch und da steht ein Wortfolge: „Der Regen bevor er fällt“. Diese Wörter lese ich mantramässig mehrmals und denke, ein Buch muss die Axt sein, für das gefrorene Meer in uns. Ich berühre meinen Kopf, meine flauschigen Haare von der feuchten Luft, darunter der Schädel, wie ein Schildkrötenpanzer.

Montag, 25. Mai 2009

Vladimir - Wo ist Mia?


Seit dem diagonalen Essen mit meiner Mutter ist der Sommer in Bern eingetroffen. Wobei dieser Temperaturumschwung nicht in der Verantwortung meiner Mutter liegt. Aber die Mia, die tanzende Mia.

”I am Mia. I am here to fill our little silence with dancing“

Sie könnte die Heissmacherin sein. Mit ihr wäre alles anders, sogar die Farben, da bin ich mir sicher. Anders als die Anderen ist sie anders. Keine Egowärmerin, davon gab es genug. Sein Ego mit einer Beziehung aufzupäppeln, stellt sich nämlich regelmässig als fataler Fehler mit ordentlichen Spätfolgen heraus. Egal. Ich bin durch die Stadt gelatscht, gevelofahrt. Mia, mit der weissen Dahlie, ist unauffindbar. Vom Ostring bis in die Felsenau, vom Fischermätteli bis ins Wankdorf. Nirgendwo ist die Frau. Morgen werde ich meinen Suchperimeter auf die ländlichen Gegenden, Spiegel, Hasle-Rüegsau, Gäbelbach und so ausweiten. Aber dazu brauche ich neue Schuhe. Und genau darum geht es eben: „Wo ist mein zweiter Schuh.“ Nun, da ich ahne, dass das Leben keine Generalprobe ist, bereite ich mich mit günstigem bolivianischem Wein auf die Sucherei vor. Inzwischen ist mir einigermassen trümmlig. Aber dies alles ist mir längst egal und stört mich auch nicht mehr, denn auf leisen Sohlen folgt mir seit Wochen ein Schildkrötenbär, ein flauschiger Schildkrötenbär.

Dienstag, 12. Mai 2009

Mia - Ich bin nicht Batman.


Jeder Regenschirm, insbesondere die Spezies des roten Regenschirms, stirbt einmal. Meiner tut dies vor dem Diagonal, auf dem Veloparkplatz. Zuerst ärgere ich mich, aber dann duscht mich der Himmel und der Ärger verfliegt oder besser, fliesst ab, in das Patent Ochsner-Senkloch. Um meine Pura Lòpez-Treterinnen zu schonen, ziehe ich mich unter den Knien vollständig aus. Erst da sehe ich eine blutende Zehe, meine Zehe, mein Blut. Tami. Improvisierend desinfiziere ich die Wunde in einer Regenpfütze. Plötzlich steht er vor mir. Er ist anders, der Mann. Ein Blume, eine weisse Dahlie, drückt er in meine Hand. Mir kommen vor lauter Regen, Blut und einem längeren Glas Prosecco der kürzesten Vergangenheit keine adäquaten Worte oder Handlungen in den Sinn. Also stelle ich mich vor, auf Englisch und fülle die kleine Stille mit einem Tänzchen. Da taucht eine ältere, beinahe aristokratisch, sicherlich bernburgerische Frau auf und schnappt sich den passabel-schönen Blumenschenker. Ich stehe wieder alleine da. So, also alleine spaziere ich, immer noch barfuss, Richtung Bundesplatz. Vor dem Fédéral frage ich mich, ob ich nun alles erlebt habe, ob die zukünftigen Erinnerungen aufgebraucht sind. Ganz grundsätzlich. Aber auch egal, ich bin ja mit dem Velo da. Das rote Velo (immer noch Typ “Sieger“) wartet geduldig auf mich. Ich schwinge mich darauf und düse los, über die Kornhausbrücke zurück in den Breitsch. Dabei vergesse ich aber nicht: “Ich bin nicht Batman.“

Samstag, 9. Mai 2009

Vladimir - Die weisse Blume.


Sie ist anders, die Frau. Sie steht vor dem Diagonal, beim Veloparkplatz. Es regnet und sie wehrt sich mit einem roten Regenschirm. "Bunte Regenschirme sind die schönsten" denke ich mir. Ich sitze hinter der Glasscheibe im Diagonal, warte auf meine Mutter und trinke ein Felsenau-Bier. Ich halte das Bier vor mein Gesicht. Verschwommen sehe ich die Frau. Wenn ich das Bier etwas nach links zur Bar drehe, dann gucke ich ins Licht. Wenn mensch Bier so ins Licht richtet, sieht es aus wie flüssiges Glück. Die Frau, die Andere zieht die Schuhe aus. Die Zehennägel sind lackiert, rötlich, blutrot. Auf meinem Tisch steht ein Blumenstrauss für meine Mutter zum verfrühten Muttertag. Blumen in allerhand Farben. Die Frau draussen vor der Tür spielt mit einer Pfütze, also eigentlich spielen die Zehen damit. Ich stehe auf, überlege kurz, welche Blume ich aus dem Strauss flowernappen will, entscheide mich für eine weisse Dahlie und bringe sie der inzwischen tanzenden Frau. Sie lächelt, dann lacht sie und singtspricht „I am Mia. I am here to fill our little silence with dancing“. Meine Mutter kommt. Wir setzen uns wieder an meinen Tisch. Die Frau, die Andere verschwindet Richtung Bundesplatz. Mit der weissen Blume.

Sonntag, 26. April 2009

Mia - Regen ist nicht nass.

Das rote Fahrrad (Typ “Sieger“) steht wieder in meinem Garten und nicht mehr vor dem stabilen Kornhaus. Mithilfe einer grossen Zange (Typ “Organisiertes Verbrechen“) konnte ich es aus den Fängen des Zahlenschlosses befreien (die Nummer war mir vor lauter Codes und Passwörtern entfallen… ein proseccogetriebener Prozess). - Heute ist ein Aprilsommertag, einer mit Regen. Eigentlich riecht Regen im Sommer einfach gut. Heute rieche ich aber nur den April. Dennoch, ich gehe raus, zum Beck, dann weiter zum Rosengarten. Im Regen wird auf der Kasernenwiese Fussball gespielt, im Regen wird geritten, im Regen wird die Altstadt von Touristen fotografiert, im Regen wird unter dieser nicht wasserdichten Pappel im Rosengarten geknutscht. Einige Menschen sind im Regen draussen, andere werden bloss nass. Unten bei der Schönburg – ein Unfall, ein Mann kotz-fluchend auf der Strasse. Ich stelle fest: Fährt mensch rückwärts in eine Mauer, verkleinert sicht der Kofferraum oder er platzt. Wie dieser. Die ganze Kreuzung ist übersäet mit orangen Ovomützen. – Egal, eigentlich wird doch alles total überbewertet.

Montag, 20. April 2009

Vladimir - in der Koalaphase.


Das Wochenende ist passé und ich stelle ernüchtert fest, ineinander passen einige, zueinander nur wenige. Vermutlich liegt dies auch an der Glotze. Denn diese weckt unrealistische Erwartungen an die Liebe und an die Qualität inferiorer Fussballligen. … Dieses Wochenende habe ich 40 Stunden im Bett und 8 Stunden mit Essen verbracht – ich bin nun offiziell ein Koala. Und Koalas sind keine Nihilisten. Nein, es sind einfach faule Viecher, welche langsam (Koalas sprechen von “genussvoll“) fressen. Nun so ein Koala-Wochenende ist äusserst erholsam, denkwürdig. Zudem kann sich mensch in der Banalität suhlen. Und dieses Banale ist nicht in eine Schale eingepackt. Dafür ist die Ausrutschgefahr auch nicht besonders gross. – In den letzten Stunden der Koala-Phase habe ich dann noch späten Wodka mit Jazz und besetztem Telefon getrunken. Der Jazz ist nicht tot, er riecht bloss ein bisschen komisch. Aber bei dieser Feststellung, war das Wochenende auch schon beinahe vorbei.

Freitag, 10. April 2009

Mia - Proseccoleichtigkeit ist doof.

Nun habe ich dennoch im Montagsbuch gelesen. Ganz putzig sind die Menschen darin, die Eheleute Wheeler. Auch wenn es am Ende tschädderet. Aber vorher scheint alles ordentlich zu funktionieren. Aber der Schein trügt halt. So wie heute, weil ich mudrig bin, da ich die Nacht zuvor ein bisschen Mist gebaut habe. Zuerst mit Proseccoleichtigkeit zu Fuss vom Schwellenmätteli hinters Kornhaus, zu meinem Velo. Dort hat sich herausgestellt, dass Zahlenschlösser im Dunkeln echt doof sind. Also zu Fuss über die Kornhausbrücke in den Breitsch. Neben mir dieser Typ, der Fummler. Beim Viktoriaplatz pinkelte er in die BKW-Gartenanlage, ich schrieb dazu ein SMS. Eher aus Langeweile, aber eben. Dann zuhause, ich schlafe gleich ein, der Fummler latscht noch durch die Wohnung. Einige Stunden später liegt er neben mir. Inzwischen sind wir zu Dritt, ein Kater ist nämlich auch noch zugegen. Der Typ, also nicht der Kater, will in die Post-Fummel-Phase eintreten und argumentiert „Sex ist effektiv gegen Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit und Frust. Rein prophylaktisch gesehen, ist Vögeln ein vernünftiger Start in den Tag.“ Ich gebe eine Replik und fordere vehement seine Abreise aus meiner Wohnung. Dann ist er weg. Aber es ist nicht ruhig, es ist bloss still. Später beschliesse ich keine nächtlichen SMS zu schicken, generell und überhaupt.

Mittwoch, 1. April 2009

Vladimir - Bier unter der Sonne.

Die Jutta, das Unglück aus Deutschland, die ruft glücklicherweise nicht mehr an. Die Anstrengung ist vorbei und ich muss weniger häufig im Les Amis Alkohol trinken. Die Ordentlichkeit gibt ein Comeback. Wenn ich es denn müsste, also Alkohol trinken, dann würde ich wohl jetzt definitiv und wetterbedingt auf Bier umstellen. Insbesondere weil Bier unter der Sonne besser schmeckt, als unter einer Schneewolke. Nun bin ich aber zuhause und backe einen Aprikosenkuchen für mein Göttimeitschigeburtstag. “Kuchenteig schmeckt oft ungebacken besser als gebacken“, habe ich dabei festgestellt. Aber eben, eigentlich geht es jetzt nicht um Kuchenteigfilosofien, sondern um das Göttimeitschi. Die hat mir eine Katzengeschichte erzählt: „Auf einem Baum, da sitzt eine Katze. Der Baum ist hoch. Der Katze wird schlecht.“ Das ist natürlich unschön. Zeigt aber eine erstaunliche Reife in den Disziplinen Biologie, Physik und Sprachrhythmik. Inzwischen ist der Geburtstagskuchen angebrannt und ich ärgere mich zusehends. Generell bin ich bei Details unzufriedener geworden, mit dem Alter. Wenn ich dann der Geriatriephase nähere, werde ich nur noch nörgeln. Aber ich werde immer noch Bier unter der Sonne trinken und wissen, dass Paolo Coelho masslos überschätzt wird.

Montag, 9. März 2009

Mia - durchsichtige BH-Träger.

Darm to normal. Wurde auch Zeit. Heute habe ich gar mutig ein Sashimi in der Markthalle gegessen. Ein schönes Gefühl, im Mund, und dann auch weiter hinten. Was im Sous-Sol geschehen wird, ist noch unklar. - Am Nachmittag war ich dann in der montäglichen Stadt ("Coiffeursunntig my ass") unterwegs, ein Buch (welches ich wohl eh nie lesen werde, aber einfach so gekauft habe, weil frau dieses allenfalls doch noch lesen wird) und neue BH’s gekauft. Dabei habe ich zweierlei Erkenntnisse gemacht: (1) Durchsichtige BH-Träger sehen stets billig aus. (2) In H&M-Umkleidekabinen sieht mensch die ersten grauen Strähnen deutlicher, als im Sonnenschein. Später dann noch kafisierend im Diagonal, El Pais gelesen, wobei eigentlich eher geguckt. Die Spanischstunden in Nicaragua weisen eine zu kurze Halbwertszeit auf, die Vokabeln sind aus dem Ohr getropft, Buchstabenschuppen. Mit dem Guisanplatztram zurück in den Breitsch. Pfefferminztee und Erykah Badu und der Küchentisch und mein neues Buch. Ich trinke den Tee, höre die Frau Badu, sitze am Küchentisch und blättere im Buch. Denken tue ich, “Ich brauche wirklich einen Schaukelstuhl“. Einen verzierten, einen Grosischaukelstuhl, mit geflochtener Sitzfläche und Rückenlehne, einen quietschenden Schaukelstuhl. Aber wie die meisten Aspekte in meinem Leben, wird sich auch dieser ohne mein Zutun erledigen. Das Buch schläft nun im Büchergestell. Ich werde es nächstes Jahr wieder wecken.

Dienstag, 3. März 2009

Vladimir - Worte sind eher Bratwurst.


Inzwischen steckt Jutta wieder in Düsseldorf und ich bin immer noch in Bern. Wir haben gestern telefoniert. Obwohl ich dies eigentlich nicht gerne tue. Aber sie insistierte, zuerst weinerlich, dann mürrisch-bestimmt. Also haben wir miteinander gekabelt, ohne einander zu sehen. Ich erwähnte meine Skepsis vor telefonischem Kontakt. Dann entstand eine ungemütliche Pause und sie erwähnte, die Situation zwischen ihr und mir sei seltsam geworden. Damit hatte sie im Prinzip Recht. Ich wand mich vermeintlich aus der unangenehmen Lage mit dem griffigen Satz “Bis Du gesagt hast, dass die Situation komisch ist, war sie nicht komisch“. Die nächste Pause hielt an bis sie ihren Hörer auflegte. Das deutsche Wintermärchen war damit beendet. Ich beschloss einen ordentlichen Schluck im Les Amis zu trinken. Und dies an einem Dienstag. Mit genügend Alkohol kann ein Dienstag auch ein Freitag werden. Aber eben, die Welt ist nicht immer Freitag. Zudem kann mensch manchmal gar nicht so viel trinken, wie mensch kotzen will. Vielleicht sollte ich mehr essen. Wegen dem Bödeli. Item, Taten sind Früchte, Worte sind eher Bratwurst.

Montag, 23. Februar 2009

Mia - auf dem Klo.


Magen und Darm sind per se unangenehme Themen. Wenn es in den Bereich Magen und Darm zu Abweichungen vom Normalzustand kommt, wird aus “unangenehm“ aber das ätzende “riechend-unangenehm“. Dementsprechend sitze ich jetzt auf dem Klo und lese, zum Zeitvertrieb, ausgewählte Seiten aus dem Zauberberg von Herrn Mann. Mich dünkt, der Thomas Mann wird überschätzt. Vielleicht bin ich aber auch einfach zu doof. Ich sitze, arbeite und lese gleichzeitig. Nach Vollendung der mittleren Tätigkeit (mit 80% Wahrscheinlichkeit), mache ich eine Entdeckung: “Klopapier, welches nach hinten abrollt, hängt falsch.“ Das merkt jeder und jede, aber in der Gesellschaft bleibt es ein Tabuthema. – Item, angefangen hat die Magen-Darm-Geschichte ziemlich harmlos mit einem Bier, einem Weissbier. Obwohl ich die Konsequenzen eines Weissbieres kenne, habe ich gleich zwei Stangen, die grossen aus Bayern, davon getrunken. Andere haben Wein bestellt, andere Bier mit Pfirsicharoma, andere Cuba Libre. Ich halt ein Weissbier. Ich wollte ein Zeichen setzen, weil ich andauernd daran denken musste, dass Mischbier eigentlich nur von denjenigen getrunken wird, welche gar kein Bier mögen. Ich hätte es besser sein gelassen. Weil später, als die beiden Weissbiere bereits längst Geschichte waren und ich Champagner trank, da wurde es nur noch schlimmer. Am nächsten Tag war ich um einen Kater und eine Erkenntnis reicher: „Besoffen vögeln, ist scheisse.“ Aber eben, am Abend davor war mir das nicht mehr so klar. Meine Blutbahnen waren voller Alkohol und mein Kopf einigermassen leer. Und mit leerem Kopf nickt es sich leichter. Nun ist die Leichtigkeit weg und ich bin mir nicht sicher, ob ich nicht noch eine Viertelstunde Zauberberg lesen soll, zur Sicherheit. Ist doch ganz gemütlich hier auf dem Klo.

Freitag, 13. Februar 2009

Schampar lebt - Blick als Leitmedium.

Der anonyme Indie-Blogger OCB war wie schon so oft ein Spürhund für eine Sensation: Die Qualitätszeitung Blick hat heute mit dem kantigen Artikel "Schamhaar-Debatte - Trimm dich, Affe! Prominente Schweizer Frauen habens bei Männern unter der Gürtellinie gerne schampar kurz und glatt." für Freude in der "schampar"-Gemeinde gesorgt. Die Wortspielerei zwischen "Scham" und "schampar" ist ein linguistischer Kniff mit NLA-Niveau. Die Überpromis Christa Rigozzi ("Nichts gegen Affen, aber Haare bringen mich auf die Palme.") und Denise Bielmann ("Meine Pirouetten drehe ich am liebsten auf sehr glatten Flächen.") über ihre haarigen Schamhaaransichten. - Schampar lebt, auch in den Printmedien.

Vladimir - der deutsche Besuch.

Inzwischen bin ich wieder brav ins Büro gegangen und habe mich an den dortigen Ritualen beteiligt. An Sitzungen mitgesprochen, telefoniert, Entscheidungen gefällt und Entscheidungen umgesetzt. Bei einer Besprechung dozierte ein wichtiger Mensch: “Zeit ist Geld.“ Ich dachte mir, eigentlich ist Geld nicht Zeit, Zeit ist Zeit. Aber irgendwie tönte das auch klugscheisserisch. Dann war die Arbeitswoche vorbei. Am Wochenende war Jutta aus Düsseldorf zu Besuch. Ihr zu Ehren und um dieses löwenmässig-wilde Haar zu bändigen, ging ich vorher am Waisenhausplatz zum Coiffeur, zum Herrencoiffeur, zum Herrencoiffeur-ohne-weibliche-Kunden-Coiffeur. Am Ende wedelte die schneidende Frau mit einem Spiegelchen durch die Gegend und wollte wissen, ob mir die Frisur nun passt. Einigermassen. Aber schlussendlich machen Coiffeure sowieso immer was sie wollen. Item. Am Bahnhof holte ich dann die Düsseldorferin ab. Sie roch winterlich-verschwitzt, aber nicht unangenehm. Ist schon toll, auf dem Perron einer Freundin entgegen zu rennen. Allenfalls sollte ich dies öfters tun. Drei Tage später ging die Jutta wieder. Diesmal frisch geduscht. Zurückgelassen hat sie zwei Erkenntnisse: Frauen verbrauchen unsäglich viel WC-Papier und Katzen sind anders weich als Brüste.

Sonntag, 8. Februar 2009

Mia - filmreif.


Ich denke mir “Also im Kino hätte das nicht so geendet.“ Zum Davonlaufen war es. Aber das ging nicht, weil ich zuhause sass. – Es begann Samstag vor einer Woche mit einem Abendverkauf im Stauffacher. Ich gucke neugierig herum, habe wegen dem lustigen Italo-Schweizer in Amerika einen Flaubert in der Hand, aber sehen tue ich den nicht. Dafür diesen Mann mit der Löwenfrisur. Nicht löwenmässig wie Matthias Reim (“Verdammt isch lieb Disch“), nein eher so Omar-Sharif-war-schon-lange-nicht-mehr-beim-Coiffeur-löwenmässig. Er guckte, ich guckte. Dreissig Sekunden später sprachen wir miteinander. Zugehört habe ich nicht, also eigentlich wollte ich, aber gedanklich war ich bei diesen Haaren. Lang, einigermassen lockig, schwarz-grau-silbern. Sekundenbruchteile dachte ich an die Haare des KMP’s (Küchenmauerpissers). Aber zurück zum Omar-Wannabe. Aus der Nähe waren auch noch allerlei Falten erkennbar. “Vielleicht doch ein bisschen alt.“ Item, sprechen schadet wohl nicht. Wir nahmen gleich ein Kafi im Café Literaire im gleichen Gebäude. Er sprach schlau und charmant über Flaubert und meine Fransen. Am nächsten Abend kam er zu mir in die Breitschwohnung. Wobei eigentlich kam er nicht persönlich. Dafür tauchte sein cooler Doppelgänger auf. “Aspirin gab’s keine, da hab’ ich Dir Zigaretten mitgebracht“ meinte dieser. Das Gespräch blieb auch später zähflüssig. Ich erwähnte die Ähnlichkeit seiner Haare mit der Mähne eines Löwen und dass ich gerne eines Tages einen Tiger oder einen Löwen streicheln möchte (warum ich dies sagte ist mir inzwischen schleierhaft, allenfalls noch Auswirkungen mehrmaliger unkritischer Sichtungen von Out of Africa). Er konterte souverän mit “Da wirst Du Dich wohl für eins von beiden entscheiden müssen.“ Ich entschied mich dann für eine erhöhte Kadenz beim Weinkonsum. Omar war ein Langweiler. Das Bla-bla-o-meter schlug andauernd aus. Und da holte er zu seinem nuklearen Erstschlag aus „Vielleicht sollten wir uns küssen, um das Eis zu brechen.“ Keine zwei Minuten später war er nicht mehr in meiner Wohnung. Später lief noch die Abwaschmaschine aus. Die halbe Küche unter Wasser. Schön. Ich gucke jetzt einen Film.

Dienstag, 27. Januar 2009

Vladimir - Januarende.


Weggeföhnte, vorher beissende, jetzt streichelnde Kälte. Die Ovomütze vermisse ich bloss selten. Gestern habe ich gar einen verwirrten Vogel gehört. Offensichtlich kein Zugvogel. Der dachte ob der neuen Kälte, also eigentlich Wärme wohl an Frühlingserwachen, frische Körner und grüne Wiesen. Aber selbstverständlich hat sich das dumme Gefieder getäuscht und wohl rasch das Konzert abgebrochen. Da kommt mir in den Sinn, dass Gras wohl schneller wächst, wenn mensch oben zieht. Item. Ich bin ein Phlegma. Nichts geschieht. Seit zwei Tagen mache ich blau, ohne blau zu sein. Ein permanenter Schlumpf. In der Monbijouloge sitzend und liegend lasse ich meine Haare wachsen, gucke gar Aufzeichnungen von Ski-Slalom-1.-Läufe und verdrücke Schinkengipfeli. Mein Körper breitet sich aus. Nicht zu einem dicken Körper. Einfach massiger und weicher. Wie ein schlecht gepumptes Gummiboot. Ich schmälere meine Chancen auf dem Frauenmarkt. Eine Lorenzinifrau hat mir einmal erzählt: „Frau steht erst auf muskulöse Männer, wenn sie einen hatte.“ Ich habe, bierinduziert, zurückgelallt: „Wer im Glashaus sitzt, sollte lieber im Keller bumsen.“ Damit war dieser anregende Dialog zu einem natürlichen Ende gekommen. Wieder item. Ich liege immer noch und esse Blätterteigreste von einem Schinkengipfeli. Es hätte neue im Tiefkühlabteil. Aber die sind in der der Küche und damit unerreichbar. Morgen gehe ich ins Büro, ziemlich sicher, vielleicht. Aber frühstücken werde ich alleine, das kann nämlich sehr undoof sein.

Montag, 19. Januar 2009

Mia - Stirnfransen.


Und wieder höre ich sie. Diese Eisschollen, eigentlich Eisschöllchen. Sie tuckern die Aare runter. Zusammenfrieren können sie nicht; die Strömung ist zu stark. Also schwimmen die Eisstücke auf dem Fluss, reiben sich aneinander und machen knisternde Laute. - Ich stapfe bis zum Dählhölzli, gucke mir das leere Bibergehege an und schlöfle laufend über das Eis zurück zur Kornhausbrücke, zurück nach Hause. Weil es frisch ist, trage ich die Ovomütze, die vom Küchenmauerpisser (KMP). Die Haare des Mützenträgers a.k.a. KMP habe ich aber behalten. Warum weiss ich auch nicht. Als Hommage an den Herrn Newton, habe ich diese in meine Agenda geklebt. Im Postspaziergangzustand, also in der Wohnung im Breitsch, trage ich die Mütze nicht mehr. Die Haare, meine eigenen, sind nun an der freien Wohnungsluft. Einigermassen zersaust, wie eine blondierte Amazonenkriegerin. Mit der Bürste zähme ich die Wildheit zu einer gepflegten Bravheit. Die Bravheit inkludiert Stirnfransen, Sophie Marceau-Fransen. Fransen weil einerseits ein Ex auf ebendiese stand und auch weil ich auf der Stirn eine kleine Narbe habe. Dies kam so: Ich habe “drücken“ und “ziehen“ verwechselt und bin in einen Türrahmen geknallt. Obwohl eigentlich ist der Türrahmen in mich geknallt. Aber diese Unterscheidung dünkt mich nicht so wichtig. Entscheidend ist hingegen folgendes: Ich bin Alphabetin, aber nehme mir nicht die Zeit grundsätzliche Botschaften, wie eben “drücken“ und “ziehen“ zu lesen. Was ich wohl sonst noch alles im Leben verpasse? – Chris Isaak dudelt. Oder ist es Johnny Cash. Nein, zu weich, es ist der Isaak. Ich liege im Bett und lese und denke mir, morgen will ich nicht alleine frühstücken. Denn alleine frühstücken ist doof.

Mittwoch, 7. Januar 2009

Vladimir - Mönchshaare.

Es ist frisch geworden und dies ohne frischen Schnee. Über Nacht wurde das Stadtbild einfach eingefroren. Wie damals in Pompeji, einfach kühler. Seither jeden Tag das gleiche Bild: Eis, Schnee, gefrorene Bäume, frierende Katzen und Rutschpartien allenthalben. Frühmorgendlich friere ich mich zur Arbeit, auch weil meine Mütze fehlt. Diese blöde Kuh hat mir den Wärmeschutz in der Silvesternacht geklaut. Da ich pinkelnd, kirchenanpinkelnd war, konnte ich sie nicht verfolgen. Aber nicht bloss die Mütze ist weg, nein, ein Büschel Haare hat die Frau gleich mitausgerissen, mitgeklaut. Nun trage ich Mönchshaare. Was sie wohl mit meiner Mütze, mit meinen Haaren macht? Sinnvollerweise schmeisst sie die Haare in den Ghüder. Nicht wie ich damals, nach dieser Dienstreise nach Amerika, als ich diese Frau kennengelernt hatte und romantisch verklärt ein langes Frauenhaar nach unserer letzten Begegnung in meine Agenda eingeklebt hatte. Das gab anschliessend monumentale Lämpen in der Schweiz, als die eigentliche Freundin diese lange Hornhaut entdeckte. Ach herrje, war das ein Drama. Aber seither sind schon viele Haare nachgewachsen. Nun sitze ich wieder in meiner Wohnung im Monbijou, in der tamilischen Dependance, höre Chris Isaak und sehne mich nach Schinkengipfeli, tami, Schinkengipfeli. Diese kompakten Sandwiches mit kaschiertem Schinken.

Vladimir bedankt sich bei Herrn Newton. Er steuerte ein Haar zu diesem Eintrag bei.

Samstag, 3. Januar 2009

Mia - Im Dazwischen.


Tatsächlich gab es ein mutloses Fondue Chinoise, mit vegetarischer Variante. Aber da der Jamie Oliver-Verschnitt eine Fleischbouillon statt der gefragten laktose- und glutenfreien Variante wählte, war in der Gemüseabteilung der Laden bereits präsilvesterisch runtergefallen. Ich fühlte mich nicht als Platzfüllerin, aber angeschissen hat mich der Anlass aka “das Fest“ doch einigermassen. Neben mir sass ein Mann, ein Wirtschaftsprüfer, also kein richtiger Mann. Er sprach langsam und hektisch, gleichzeitig. Es ging um eine Gesetzesrevision und allerhand Fees, die nun quasi auf der Strasse liegen. Bald einmal hörte ich ihm nicht mehr zu, sondern habe mein inneres Lauschgerät ausgeschaltet. In der Stille wirkte er wie ein Fisch, er blubberte, manchmal sah ich tief in seinen Mund, das Gurgeli schwang aufgeregt hin und her. Die Bewegungen plötzlich langsamer. Dann fiel ein Stück Artischocke auf das Kinn, verfolgt von etwas weissweinweissem Speichel. Ich und eine andere gelangweilte Frau rauchten eine stumme Zigarette auf dem kleinen und saukalten Balkon. So ein “Abfallsack-Rausteller-Balkon“. Dann verabschiedeten wir uns französisch und latschten mangels Taxi zum Kornhaus. Maskenball. Maskenball? Ganz schrecklich. Die Garderobenschlange stockwerklang. Zudem gab es eine Maskenpolizei, die “Maskguard“, damit die Masken auch eifrig getragen wurden. Nach einer halben Stunde bestellte ich mein drittes Mehrwegbecherbier und schmuggelte dieses aus dem Kornhaus. Die stumme Kollegin sass im Toilettenstau. Egal. Draussen spazierte ich einigermassen gerade durch die kalte Altstadt. Der matschige Boden versperrte meinen offenen Schuhen einige Wege, also landete ich wie eine Pacmanin auf meinem Weg in den Breitsch bei der französischen Kirche. Dort pinkelte ein Scheusal an die Wände. Als Bestrafung, nicht nur für die Pisserei, sondern auch für den mudrigen Abend per se habe ich seine Mütze, seine Ovomaltinemütze, vom Kopf geklaut. Die liegt nun neben dem Kamillentee auf dem Küchentisch. Einige Haare, schwarze Haare, kleben auch darin. Eklig. Ich werde sie wohl waschen.

Freitag, 2. Januar 2009

Vladimir - 1. Januar.


Nicht bewegen, nicht bewegen, ein bisschen nach rechts. Angenehmer? Kaum. Dieses Pochen, elend. Wenn ich jetzt noch mehr Wasser trinke, dann kotze ich. Beschissenes Fondue Chinoise. Einfach zu wenig Nahrung. So kann man doch nicht bödelen. Uuh. Jetzt riecht es nach Tartarsosse, irgendwo aus der Tiefe meines Körpers. – Nun, jetzt ist alles raus. Kotze raus, Brot und Panadol extra rein. Habe ich die Ukrainerin geküsst? Und wenn ich dies getan habe, weshalb? Eigentlich… ach, auch Schnurz. Vergessen und ignorieren wir den gestrigen Abend einfach. Schinkengipfeli. Ich will Schinkengipfeli, viele. Aber hier im Monbijou ist um diese Zeit wohl kein Beck offen. Also entschliesse ich mich für einen Spaziergang zum Bahnhof. Sollte ich vorher duschen? Nein, zu gefährlich, ich könnte ertrinken. Zu Fuss? Mmh, würde mir wohl gut tun. Frische Luft und so. Also zu Fuss zum Hirschengraben. Erstaunlich viele Menschen sind unterwegs. Wohin die wohl gehen? Die Schinkengipfeli esse ich gehend, immer noch leicht wankend. Habe ich wirklich an die Französische Kirche gepisst? Wohl schon. Zum Glück ist nix abgefroren. Das habe ich jetzt wohl laut gesagt, weil die ältere Frau neben mir an der Tramstation, guckt mich ziemlich schräg an. Schinkengipfelig fühle ich mich besser, weniger schwindlig. Nehme das Tram runter ins Monbijou. Seit fünf Monaten lebe ich dort in einer kleinen Loge. Über einem Tamilenrestaurant. Ich mag den Geruch des Essens sehr. Er übertüncht die Modrigkeit meiner Wohnung. – Bald sind die Festtage vorbei und die Arbeit beginnt wieder. Inzwischen freue ich mich auf die geregelte Normalität des Büros. Die weihnächtliche Frust- und Fress- und Sauf- und leider nicht-Frauen-Orgie ist vorbei. Ich esse jetzt wohl noch ein Schinkengipfeli. Soll ich es zuerst in der Mikrowelle aufwärmen?