Dienstag, 27. Januar 2009
Vladimir - Januarende.
Weggeföhnte, vorher beissende, jetzt streichelnde Kälte. Die Ovomütze vermisse ich bloss selten. Gestern habe ich gar einen verwirrten Vogel gehört. Offensichtlich kein Zugvogel. Der dachte ob der neuen Kälte, also eigentlich Wärme wohl an Frühlingserwachen, frische Körner und grüne Wiesen. Aber selbstverständlich hat sich das dumme Gefieder getäuscht und wohl rasch das Konzert abgebrochen. Da kommt mir in den Sinn, dass Gras wohl schneller wächst, wenn mensch oben zieht. Item. Ich bin ein Phlegma. Nichts geschieht. Seit zwei Tagen mache ich blau, ohne blau zu sein. Ein permanenter Schlumpf. In der Monbijouloge sitzend und liegend lasse ich meine Haare wachsen, gucke gar Aufzeichnungen von Ski-Slalom-1.-Läufe und verdrücke Schinkengipfeli. Mein Körper breitet sich aus. Nicht zu einem dicken Körper. Einfach massiger und weicher. Wie ein schlecht gepumptes Gummiboot. Ich schmälere meine Chancen auf dem Frauenmarkt. Eine Lorenzinifrau hat mir einmal erzählt: „Frau steht erst auf muskulöse Männer, wenn sie einen hatte.“ Ich habe, bierinduziert, zurückgelallt: „Wer im Glashaus sitzt, sollte lieber im Keller bumsen.“ Damit war dieser anregende Dialog zu einem natürlichen Ende gekommen. Wieder item. Ich liege immer noch und esse Blätterteigreste von einem Schinkengipfeli. Es hätte neue im Tiefkühlabteil. Aber die sind in der der Küche und damit unerreichbar. Morgen gehe ich ins Büro, ziemlich sicher, vielleicht. Aber frühstücken werde ich alleine, das kann nämlich sehr undoof sein.
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Mia / Vladimir
Montag, 19. Januar 2009
Mia - Stirnfransen.
Und wieder höre ich sie. Diese Eisschollen, eigentlich Eisschöllchen. Sie tuckern die Aare runter. Zusammenfrieren können sie nicht; die Strömung ist zu stark. Also schwimmen die Eisstücke auf dem Fluss, reiben sich aneinander und machen knisternde Laute. - Ich stapfe bis zum Dählhölzli, gucke mir das leere Bibergehege an und schlöfle laufend über das Eis zurück zur Kornhausbrücke, zurück nach Hause. Weil es frisch ist, trage ich die Ovomütze, die vom Küchenmauerpisser (KMP). Die Haare des Mützenträgers a.k.a. KMP habe ich aber behalten. Warum weiss ich auch nicht. Als Hommage an den Herrn Newton, habe ich diese in meine Agenda geklebt. Im Postspaziergangzustand, also in der Wohnung im Breitsch, trage ich die Mütze nicht mehr. Die Haare, meine eigenen, sind nun an der freien Wohnungsluft. Einigermassen zersaust, wie eine blondierte Amazonenkriegerin. Mit der Bürste zähme ich die Wildheit zu einer gepflegten Bravheit. Die Bravheit inkludiert Stirnfransen, Sophie Marceau-Fransen. Fransen weil einerseits ein Ex auf ebendiese stand und auch weil ich auf der Stirn eine kleine Narbe habe. Dies kam so: Ich habe “drücken“ und “ziehen“ verwechselt und bin in einen Türrahmen geknallt. Obwohl eigentlich ist der Türrahmen in mich geknallt. Aber diese Unterscheidung dünkt mich nicht so wichtig. Entscheidend ist hingegen folgendes: Ich bin Alphabetin, aber nehme mir nicht die Zeit grundsätzliche Botschaften, wie eben “drücken“ und “ziehen“ zu lesen. Was ich wohl sonst noch alles im Leben verpasse? – Chris Isaak dudelt. Oder ist es Johnny Cash. Nein, zu weich, es ist der Isaak. Ich liege im Bett und lese und denke mir, morgen will ich nicht alleine frühstücken. Denn alleine frühstücken ist doof.
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Mia / Vladimir
Mittwoch, 7. Januar 2009
Vladimir - Mönchshaare.
Es ist frisch geworden und dies ohne frischen Schnee. Über Nacht wurde das Stadtbild einfach eingefroren. Wie damals in Pompeji, einfach kühler. Seither jeden Tag das gleiche Bild: Eis, Schnee, gefrorene Bäume, frierende Katzen und Rutschpartien allenthalben. Frühmorgendlich friere ich mich zur Arbeit, auch weil meine Mütze fehlt. Diese blöde Kuh hat mir den Wärmeschutz in der Silvesternacht geklaut. Da ich pinkelnd, kirchenanpinkelnd war, konnte ich sie nicht verfolgen. Aber nicht bloss die Mütze ist weg, nein, ein Büschel Haare hat die Frau gleich mitausgerissen, mitgeklaut. Nun trage ich Mönchshaare. Was sie wohl mit meiner Mütze, mit meinen Haaren macht? Sinnvollerweise schmeisst sie die Haare in den Ghüder. Nicht wie ich damals, nach dieser Dienstreise nach Amerika, als ich diese Frau kennengelernt hatte und romantisch verklärt ein langes Frauenhaar nach unserer letzten Begegnung in meine Agenda eingeklebt hatte. Das gab anschliessend monumentale Lämpen in der Schweiz, als die eigentliche Freundin diese lange Hornhaut entdeckte. Ach herrje, war das ein Drama. Aber seither sind schon viele Haare nachgewachsen. Nun sitze ich wieder in meiner Wohnung im Monbijou, in der tamilischen Dependance, höre Chris Isaak und sehne mich nach Schinkengipfeli, tami, Schinkengipfeli. Diese kompakten Sandwiches mit kaschiertem Schinken.
Vladimir bedankt sich bei Herrn Newton. Er steuerte ein Haar zu diesem Eintrag bei.
Vladimir bedankt sich bei Herrn Newton. Er steuerte ein Haar zu diesem Eintrag bei.
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Samstag, 3. Januar 2009
Mia - Im Dazwischen.
Tatsächlich gab es ein mutloses Fondue Chinoise, mit vegetarischer Variante. Aber da der Jamie Oliver-Verschnitt eine Fleischbouillon statt der gefragten laktose- und glutenfreien Variante wählte, war in der Gemüseabteilung der Laden bereits präsilvesterisch runtergefallen. Ich fühlte mich nicht als Platzfüllerin, aber angeschissen hat mich der Anlass aka “das Fest“ doch einigermassen. Neben mir sass ein Mann, ein Wirtschaftsprüfer, also kein richtiger Mann. Er sprach langsam und hektisch, gleichzeitig. Es ging um eine Gesetzesrevision und allerhand Fees, die nun quasi auf der Strasse liegen. Bald einmal hörte ich ihm nicht mehr zu, sondern habe mein inneres Lauschgerät ausgeschaltet. In der Stille wirkte er wie ein Fisch, er blubberte, manchmal sah ich tief in seinen Mund, das Gurgeli schwang aufgeregt hin und her. Die Bewegungen plötzlich langsamer. Dann fiel ein Stück Artischocke auf das Kinn, verfolgt von etwas weissweinweissem Speichel. Ich und eine andere gelangweilte Frau rauchten eine stumme Zigarette auf dem kleinen und saukalten Balkon. So ein “Abfallsack-Rausteller-Balkon“. Dann verabschiedeten wir uns französisch und latschten mangels Taxi zum Kornhaus. Maskenball. Maskenball? Ganz schrecklich. Die Garderobenschlange stockwerklang. Zudem gab es eine Maskenpolizei, die “Maskguard“, damit die Masken auch eifrig getragen wurden. Nach einer halben Stunde bestellte ich mein drittes Mehrwegbecherbier und schmuggelte dieses aus dem Kornhaus. Die stumme Kollegin sass im Toilettenstau. Egal. Draussen spazierte ich einigermassen gerade durch die kalte Altstadt. Der matschige Boden versperrte meinen offenen Schuhen einige Wege, also landete ich wie eine Pacmanin auf meinem Weg in den Breitsch bei der französischen Kirche. Dort pinkelte ein Scheusal an die Wände. Als Bestrafung, nicht nur für die Pisserei, sondern auch für den mudrigen Abend per se habe ich seine Mütze, seine Ovomaltinemütze, vom Kopf geklaut. Die liegt nun neben dem Kamillentee auf dem Küchentisch. Einige Haare, schwarze Haare, kleben auch darin. Eklig. Ich werde sie wohl waschen.
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Freitag, 2. Januar 2009
Vladimir - 1. Januar.
Nicht bewegen, nicht bewegen, ein bisschen nach rechts. Angenehmer? Kaum. Dieses Pochen, elend. Wenn ich jetzt noch mehr Wasser trinke, dann kotze ich. Beschissenes Fondue Chinoise. Einfach zu wenig Nahrung. So kann man doch nicht bödelen. Uuh. Jetzt riecht es nach Tartarsosse, irgendwo aus der Tiefe meines Körpers. – Nun, jetzt ist alles raus. Kotze raus, Brot und Panadol extra rein. Habe ich die Ukrainerin geküsst? Und wenn ich dies getan habe, weshalb? Eigentlich… ach, auch Schnurz. Vergessen und ignorieren wir den gestrigen Abend einfach. Schinkengipfeli. Ich will Schinkengipfeli, viele. Aber hier im Monbijou ist um diese Zeit wohl kein Beck offen. Also entschliesse ich mich für einen Spaziergang zum Bahnhof. Sollte ich vorher duschen? Nein, zu gefährlich, ich könnte ertrinken. Zu Fuss? Mmh, würde mir wohl gut tun. Frische Luft und so. Also zu Fuss zum Hirschengraben. Erstaunlich viele Menschen sind unterwegs. Wohin die wohl gehen? Die Schinkengipfeli esse ich gehend, immer noch leicht wankend. Habe ich wirklich an die Französische Kirche gepisst? Wohl schon. Zum Glück ist nix abgefroren. Das habe ich jetzt wohl laut gesagt, weil die ältere Frau neben mir an der Tramstation, guckt mich ziemlich schräg an. Schinkengipfelig fühle ich mich besser, weniger schwindlig. Nehme das Tram runter ins Monbijou. Seit fünf Monaten lebe ich dort in einer kleinen Loge. Über einem Tamilenrestaurant. Ich mag den Geruch des Essens sehr. Er übertüncht die Modrigkeit meiner Wohnung. – Bald sind die Festtage vorbei und die Arbeit beginnt wieder. Inzwischen freue ich mich auf die geregelte Normalität des Büros. Die weihnächtliche Frust- und Fress- und Sauf- und leider nicht-Frauen-Orgie ist vorbei. Ich esse jetzt wohl noch ein Schinkengipfeli. Soll ich es zuerst in der Mikrowelle aufwärmen?
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