Via Prag, Mailand. Bereits im Flugzeug, „die anderen verursachen nur Probleme, immer Streit… Aber der Libanon bleibt die Wiege der Menschheit.“ Am frühen Nachmittag Landung in Beirut. Beim Zoll aus Trotz den amerikanischen Pass gezeigt und gestempelt gekriegt. Sicherlich nicht hilfreich bei nächstem USA-Besuch. Vor dem Flughafen warten die Taxis. Gemäss Lonely Planet nie mehr als USD 12 bezahlen. Ich insistiere trotz Müdigkeit. Kriege kein Taxi, am Ende Kompromiss bei USD 15, aber er muss noch tanken gehen. Anstatt zu tanken, holen wir aber zwei Koffer ab. Mir egal. „Erster Besuch in Beirut?“ fragt er. Ich lüge „Nein, zum zweiten Mal.“ Er lädt mich im Hotel Tiffany ab. Im christlichen Viertel. Während Bürgerkrieg Heimat westlicher Journalisten. Britische Bar „Wellington“ im Erdgeschoss, schwuler Receptionist, welcher mich später noch anrufen wird. Auf dem Dach, kleiner Pool mit schöner Aussicht über die Hamra und das Meer. Gehe zu Fuss rüber zur Hauptstrasse. Starbucks ist angenehm klimatisiert, Temperatur-Kolonialismus. Weiter Richtung grüne Linie, das zerbombte Holiday Inn. Warum steht das noch? Aber auch viele Häuser mit Einschusslöchern, teilweise überwuchert mit Pflanzen. Im Zentrum, die neu renovierte Altstadt „Solidaire“. Alles sauber, blitzblank. Viele Sicherheitskräfte. Gleich nebenan: die grosse Moschee, sie leuchtet, das Minarett wie ein Pfeil in den Himmel, daneben der Virgin Megastore und dann die grüne Linie, Märtyrer-Platz. Ödland, aber auch Zentrum des Libanon. Das weisse Zelt für den ermordeten Hariri. Konservenmusik, unwürdig? Viele Kritzeleien, Syrien wird auf tausend Arten verflucht. Auf dem Märtyrer-Platz lässt mich die stechende Sonne schwitzen. Auf der anderen Seite dieser Wüste liegt der arabische Teil. Viele kleine Läden, man spürt die Energie, aber wo sind die Menschen? Mittagszeit? Esse Fisch, bin alleine im Restaurant. Preise wie zuhause. Auf den Strasse wird mir ein „Hello“ oder „english?“ nachgeworfen. Am Abend an der Hotelbar. Fast nur Gäste aus dem Westen, wobei einige im Irak arbeiten, und zum Vergnügen in Beirut sind. Sie erzählen Geschichten, vor dem Krieg, nach dem Krieg, während dem Krieg. Welcher Krieg? Hat er je aufgehört? Wie diejenige Geschichte eines Engländers, der mit Saddam gefischt haben will. Oder die beiden Rucksack-Touristen, welche in Syrien, nahe der irakischen Grenze angespuckt wurden. Und dies während den Flitterwochen. Nächster Tag auf dem Campus der American University of Beirut (AUB), Ähnlichkeit mit Ivy-League-Gebäuden. Alle furchtbar nett, perfektes Englisch. NBA-Übertragung im Coffee-Shop. Nach Besuch einer Agrarökonomie-Vorlesung weiter den Hügel runter, ans Meer. Die Corniche, hinter mir ragt die Stadt. Spaziere vom McDonald’s auf der Promenade dem Meer entlang. Männer in der Überzahl, hie und da eine Joggerin, manche mit Kopftuch, andere wie Jane Fonda. Viele Fischer, Brotverkäufer. Andauernd Gespräche mit Fremden. Privatstrand mit Spannern. Das Wasser ist schmutzig. Immer weiter. Auf einmal ein Stück Schweiz: Mövenpick-Hotel. Riesige Anlage, sauber und schampar schweizerisch. Am Abend wieder an der Hotel-Bar. Wie auch alle anderen späteren Nachmittage. Manchmal mit Bier auf dem Dach. Nach dem Eindunkeln auch Monot-Street. Freizügiger geht es kaum im Nahen Osten. Ein Abend auch im „Hole in the wall“. Plötzlich ein kurzer lauter Knall. Bloss kleine Druckwelle. Die Menschen eilen an der Veranda des „Hole’s“ vorbei. Gehe schauen, sehe zwei zerstörte Autos und ein grosses Loch in der Mauer. Mobile’s mit Fotofunktion werden gezückt. Einige der Partyfreudigen sind verdeckte Ermittler. Sie zeigen den Soldaten und Polizisten ihre Ausweise. TV-Teams filmen sich gegenseitig. Interviews. Sitze ein bisschen am Strassenrand. Plötzlich ein persönlicher Soldat. „Tous vas bien?“. Ich nicke. Gehe zurück ins „Hole“. Dort kriege ich einen steifen Gin und lasse mich aufklären, dass diese Explosion bloss klein war. Kein Vergleich mit den anderen Bomben. Ich lächle und gehe. Will ein Taxi, Preise verdreifacht. Gefällt mir nicht. Gehe beschwipst auf den nächtlichen Märtyrer-Platz. Am Nachmittag war noch Condi Rice hier, hat das Hariri-Memorial besucht. Jetzt ich. Nehme trotzdem ein Taxi. Noch eine Bar. Die Explosion ist kaum Thema. Auch im Hotel nicht. Der Receptionist fragt ob alles in Ordnung sei. Ich grinse „Seulement une petite bombe!“. Harmlos. Am nächsten Tag Zeitung kaufen, verstehe kein Wort. Die Ermittler haben offensichtlich auch keine Hinweise. Gehe bei einer Schwedin, welche einen Libanesen geheiratet hat, essen. Diese witzelt über die Amerikaner und die Europäer. Alle so naiv. Situation im Libanon viel komplexer als westliche Sichtweise. Am Schlimmsten, Touristen mit Arafat-Kopftuch. Werden ausgelacht. Im Libanon sind viele unbeliebt, nicht nur Amerikaner und Israelis. Auch die Palästinenser. Schliesslich hat die PLO Beirut jahrelang vergewaltigt. Alle schreien nach Frieden, trotzdem flammen Konflikte immer wieder auf. Noch einmal an die Hotelbar. Die neuen Gäste kenne ich nicht mehr. Trinke zu schnell auf zu nüchternen Magen. Im Taxi an den Flughafen, auf der Autobahn, Gegenverkehr auf unserer Seite. Mutprobe. In Flughafen-Bar ein teueres Corona, dann zurück nach Prag und Zürich und Bern.
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