Das Fisch Nirvana wurde von sich selbst aufgesogen. Ein schwarzes Loch, azurblau getarnt. Fisch Nirvana. Tropisch wie Guyana. Feucht wie Louisiana. Grün wie Marihuana. Spannender als die Toskana. Tierisch wie Botswana. Weniger rot als Varela. Wie eine Anakonda, auf der Veranda. Wie eine Influenza, in Gaza. Puffig wie Amerika. Fisch Nirvana.
Stimmen zu Verschwinden:
"Ohne Fisch Nirvana gibt es für mich keinen Grund in Bern zu bleiben." (Martin Andermatt, Ende Juli 2008)
"Fisch Nirvana, Asketismus und Berner Bär - die Grundpfeiler meines Lebens." (Herr Tschäppat, während der EM 2008)
"Hat das ein Kind gemalt?" (Timothy Bandy, laufend und häufig)
Donnerstag, 31. Juli 2008
Montag, 28. Juli 2008
The Über-Yuppie.
He is the Über-Yuppie.
As a graduate he made copies,
but that exec MBA soon paid off,
he was still doing absurdities,
but rich enough to afford SmirnoffTM.
He is the Über-Yuppie.
The Paradeplatz in Zurich was his hood,
he was spending big Francs at Indochine,
but his friends on FacebookTM were no good,
after work they found him annoying.
He is the Über-Yuppie.
He wanted to earn a million,
to get a big ball’s career,
have an i-banker reputation,
but he was an idiot, that was clear!'
He was the Über-Yuppie.
As a graduate he made copies,
but that exec MBA soon paid off,
he was still doing absurdities,
but rich enough to afford SmirnoffTM.
He is the Über-Yuppie.
The Paradeplatz in Zurich was his hood,
he was spending big Francs at Indochine,
but his friends on FacebookTM were no good,
after work they found him annoying.
He is the Über-Yuppie.
He wanted to earn a million,
to get a big ball’s career,
have an i-banker reputation,
but he was an idiot, that was clear!'
He was the Über-Yuppie.
Labels:
Amerikanisch,
kurze Geschichten
Freitag, 18. Juli 2008
Der grosse Regen.
Der Bioladen bereits geschlossen, das Coop noch offen. Also muss es zwischen halb sieben und sieben Uhr abends gewesen sein. Der Untergrund grollte, wackelte, bebte. Der Lärm schmerzte durch die Ohren, in die Köpfe hinein. Ein Rumpeln, ein Ziehen, ein Ruckeln, ein Quietschen. Der Breitenrainplatz senkte sich langsam. Nicht sehr tief, aber halt doch, unverkennbar, ein Loch, der Breitsch in einer riesigen Schüssel. Die Beamten vom Tiefbauamt der Stadt Bern nahmen Tage später Mass: Bei der Tramhaltestelle, gleich vor dem Kiosk, hatte sich der Boden um etwa zehn Meter gesenkt. Am Rande des Breitschplatzes um etwa acht Meter. Erst beim Viktoria- und Guisanplatz endete die schüsselige Versenkung jeweils. Die Häuser standen schräge, die Geleise verdrehten sich, wie unglückliche chinesische Kunstturnerinnen. Rohre waren geplatzt. Gasgeruch, Kanalisationsgeruch, unbekannte Gerüche. Mundgeruch der Erde. Die Einkaufswagenkolonnen der Migros und vom Coop rollten selbständig, überfielen den Kiosk in der Mitte des Platzes. Glasscheiben erstaunlicherweise kaum zerborsten. Autos fuhren weiter, wie in den unendlichen Rundkursen der Indy-Cart-Serie. Auch die Menschen waren noch da. Ignorierten die veränderten Umstände, passten sich in geschwinder Evolution an. Der Schuhmacher verkaufte Schuhe mit schrägen Sohlen, Schuhe mit Pfropfen, Bergschuhe. Nach drei Tagen waren auch die Tramgeleise wieder repariert. Zur Sicherheit wurden Zahnräder vom Typ “Marzili-Bähnli“ an den Trams montiert. Trams rollten. Das Quartierleben ging weiter. Und dann, dann kam der Regen, der grosse Regen.
Es war ein Donnerstag. Der Regen hatte bereits in der Nacht eingesetzt. Anfangs monsunartig, dann ruhiger, aber stetig, immer stetig, ruhig, aber stetig, ruhig, aber allenthalben stetig. Der Regen in der Luft, schwängert die Pflanzen, bis wieder Donnerstag ist. Ausgepumpter Himmel. Das Wasser sammelt sich im Zentrum der Senke im Breitschquartier. Land unter beim Kiosk. Die benachbarte Herzogstrasse füllt sich auch rasch. Nur noch die schwimmenden Badewannen, welche dekorativ mit Pflanzen und Gestrüpp gefüllt sind, und die Baumkronen, sichtbar in der Strasse. Autos, Velos, Tische vom Vetter Herzog, die Telefonkartenschilder vom Tropical Zone, die gebührenpflichtigen blauen Abfallsäcke – unter Wasser, ruhig, aber unter Wasser. Aus den Fenstern im zweiten Stock gucken die Herzogstrassenbewohner auf ihre Strasse, auf ihren See. Manche aufgestützt, Ellenbogen auf Kissen, aufgestützte Gesichter. Starrend, manche auch amüsiert.
Die findigen Italiener vom Restaurant Ticino schnappen sich einige der Badewannen, schmeissen die Pflanzen in den Breitschsee, nehmen die Pizzaofenkellen, springen in die Badewannen und rudern. Sie rudern durch die Stille. Kein Verkehrslärm, keine quietschenden Trams. Stille, wie seit hunderten von Jahren nicht mehr in der Herzogstrasse. Der Strasse der vielen Coiffeurs. Coiffeurs für die Rekruten der nahen Kaserne, Coiffeurs für pedantische Feldweibel. Aber den Italienern ist das egal, sie rudern und rudern. Über die Kasernenwiese, die Militärstrasse runter bis zum Guisanplatz beim Wankdorf, tramartig zurück an den Breitenrainplatz, bis zum Viktoriaplatz. Dort stossen sie auf Land. Zu Fuss latschen die Italiener in die Altstadt; Mehl, Wein, Käse, Tomaten, Mineralwasser, Kaffeebohnen, Parmaschinken und Basilikum. Vollbeladen zurück über die Brücke, in die Badewannen, rudern, an den Breitschplatz, andocken im zweiten Stock über dem Ticino, im neuen Restaurant Ticino, halt eben im zweiten Stock. Die gekauften Zutaten gekocht, gebacken, gesalatet. An den Fenstern des neuen Restaurants lugen Herzogstrassenmenschen hinein, hungrig, allesamt in gekaperten Badewannen. Die Badewannenidee hat nämlich Schule gemacht. Badewannen aus den Fundamenten gerissen, wegoperiert. Weinende Sanitärinstallateure. Aber jetzt, Pizzas, Salate, Spagetti, Weine. Über die Gasse, über den See verkauft. Immer mehr Badewannen schwimmen an, die Küche hochbetriebig. Schnaubend. Röchelnd der zu kleine Ofen. Bereits drei, vier Badewannen tief, die breite Warteschlange, vor den Fenstern. Die Menschen im Quartier reissen mehr Wannen aus den Verankerungen. Basteln neue Ruder. Montieren Dächer über den Badewannen. Sonnensegel. Moskitonetze. YB-Fahnen. Zwischen dem Breitschplatz und dem Viktoriaplatz entsteht ein reger Fährbetrieb. Touristen, Beamte, Stadtberner, Landberner, Fischer, Fussballer, Quartierbewohnerinnen, Polizisten, Rekruten kommen.
Die Stadt Bern konstruiert mithilfe von WK-Soldaten ein Dock, und dann noch ein zweites Dock. Dockende Badewannen. Die Sonne kommt, der See bleibt. Seither ist es ruhiger im Breitsch, in der grossen Schüssel, ruhig, stetig ruhig. Z. vom Ticino spricht noch heute vom grossen Regen, der grosse Regen, der an einem Donnerstag kam und an einem Donnerstag wieder ging.
Es war ein Donnerstag. Der Regen hatte bereits in der Nacht eingesetzt. Anfangs monsunartig, dann ruhiger, aber stetig, immer stetig, ruhig, aber stetig, ruhig, aber allenthalben stetig. Der Regen in der Luft, schwängert die Pflanzen, bis wieder Donnerstag ist. Ausgepumpter Himmel. Das Wasser sammelt sich im Zentrum der Senke im Breitschquartier. Land unter beim Kiosk. Die benachbarte Herzogstrasse füllt sich auch rasch. Nur noch die schwimmenden Badewannen, welche dekorativ mit Pflanzen und Gestrüpp gefüllt sind, und die Baumkronen, sichtbar in der Strasse. Autos, Velos, Tische vom Vetter Herzog, die Telefonkartenschilder vom Tropical Zone, die gebührenpflichtigen blauen Abfallsäcke – unter Wasser, ruhig, aber unter Wasser. Aus den Fenstern im zweiten Stock gucken die Herzogstrassenbewohner auf ihre Strasse, auf ihren See. Manche aufgestützt, Ellenbogen auf Kissen, aufgestützte Gesichter. Starrend, manche auch amüsiert.
Die findigen Italiener vom Restaurant Ticino schnappen sich einige der Badewannen, schmeissen die Pflanzen in den Breitschsee, nehmen die Pizzaofenkellen, springen in die Badewannen und rudern. Sie rudern durch die Stille. Kein Verkehrslärm, keine quietschenden Trams. Stille, wie seit hunderten von Jahren nicht mehr in der Herzogstrasse. Der Strasse der vielen Coiffeurs. Coiffeurs für die Rekruten der nahen Kaserne, Coiffeurs für pedantische Feldweibel. Aber den Italienern ist das egal, sie rudern und rudern. Über die Kasernenwiese, die Militärstrasse runter bis zum Guisanplatz beim Wankdorf, tramartig zurück an den Breitenrainplatz, bis zum Viktoriaplatz. Dort stossen sie auf Land. Zu Fuss latschen die Italiener in die Altstadt; Mehl, Wein, Käse, Tomaten, Mineralwasser, Kaffeebohnen, Parmaschinken und Basilikum. Vollbeladen zurück über die Brücke, in die Badewannen, rudern, an den Breitschplatz, andocken im zweiten Stock über dem Ticino, im neuen Restaurant Ticino, halt eben im zweiten Stock. Die gekauften Zutaten gekocht, gebacken, gesalatet. An den Fenstern des neuen Restaurants lugen Herzogstrassenmenschen hinein, hungrig, allesamt in gekaperten Badewannen. Die Badewannenidee hat nämlich Schule gemacht. Badewannen aus den Fundamenten gerissen, wegoperiert. Weinende Sanitärinstallateure. Aber jetzt, Pizzas, Salate, Spagetti, Weine. Über die Gasse, über den See verkauft. Immer mehr Badewannen schwimmen an, die Küche hochbetriebig. Schnaubend. Röchelnd der zu kleine Ofen. Bereits drei, vier Badewannen tief, die breite Warteschlange, vor den Fenstern. Die Menschen im Quartier reissen mehr Wannen aus den Verankerungen. Basteln neue Ruder. Montieren Dächer über den Badewannen. Sonnensegel. Moskitonetze. YB-Fahnen. Zwischen dem Breitschplatz und dem Viktoriaplatz entsteht ein reger Fährbetrieb. Touristen, Beamte, Stadtberner, Landberner, Fischer, Fussballer, Quartierbewohnerinnen, Polizisten, Rekruten kommen.
Die Stadt Bern konstruiert mithilfe von WK-Soldaten ein Dock, und dann noch ein zweites Dock. Dockende Badewannen. Die Sonne kommt, der See bleibt. Seither ist es ruhiger im Breitsch, in der grossen Schüssel, ruhig, stetig ruhig. Z. vom Ticino spricht noch heute vom grossen Regen, der grosse Regen, der an einem Donnerstag kam und an einem Donnerstag wieder ging.
Mittwoch, 9. Juli 2008
Oerlikon und Zürich, unterschiedlich mühsam.
Oerlikon und Zürich sind unterschiedlich. Frauliche Münster gibt es nicht in Oerlikon. Dafür in Zürich. Dort hat es ein Frauenmünster. Das Oerlikonermünster hingegen fehlt. Zürich ist bankenreich. Oerlikon ist auch reich, aber anders. Unterschiede. Unterschiedlich mühsam. Die zwei Frauenmünstertürme sind ähnlich, aber nicht identisch. Mühsam sind sie nicht. Fraulich eigentlich auch nicht.
Dienstag, 8. Juli 2008
Oerlikon.
Adapt your tactics. – Not letting them home know. – Legitimate. – Door to door. – You already know too much. – Uglier. – Time to get back into the kitchen. – Peak. – Valley below. – History tends to punish. – Tram Nummer 11 fährt vom HB nach Oerlikon. – Before the snow goes. – Patiently wait. – Broken backs can still crawl. – Just one example. – Full measure. – You want it closed. – Book about the semester. – I don’t know. – Minor. – Sit next to me. – President. – You know how busy it can get. – If you can’t balance the two. – You’ll show up every day. – And never forget, “Oerlikon stinkt”.
Donnerstag, 3. Juli 2008
Das grosse Buch.
Ich radle über die Kasernenwiese. Dies ist nicht selbstverständlich. Haben doch die UEFA, die Schweizer Armee sowie allerhand Organisationen von nationaler Wichtigkeit, das Gelände während der EURO2000NTM eifrig besetzt. Da reichte nicht einmal mein frisch gewaschener Schweizer Pass für einen Zutritt auf diesem Gelände.
Ich tschaupe mit meinem scharlachroten Dreigänger (wobei nur ein Gang konsequent einsatzfähig ist) vom Typ “Sieger“ über die Wiese. Neben dem Konsi durch, rüber zur Pferdewiese, wo manchmal auch Ziegen herumtollen, und dann scharf rechts in den Rosengarten, auf dem Kiesweg in die Mitte des Rosengartens. Linkerhand spielen anatomisch intelligente Jungs Fussball, oben ohne. Wobei das “ohne“ am Füdle runterhängt. Wie ein Schwänzchen. Kaum zischt ein schärferer Schuss und die Ballannahme bedingt einen erkennbaren Körpereinsatz Richtung Ball, da fällt dieses Schwänzchen auf den Rasen und muss wieder korrekt angemacht werden.
Rechts eine Tamilen- oder Singhalesen-Familie. Mein ungeschärfter Blick erkennt den Unterschied nicht. Frage mich aber, wie dies wohl so ist, wenn sich Menschen aus Sri Lanka, aus den unterschiedlichen Teilen von Sri Lanka, hier in der Schweiz treffen. Wird da bloss höflich genickt? Werden einige Nettigkeiten ausgetauscht? Item. Die Leute sehen fröhlich aus und haben viele Essereien mitgebracht. Ein allfälliger Besuch einer Schweizer Familie könnte auch verpflegt werden. Aber die Schweizer sind wohl derzeit gerade nicht abkömmlich.
Ich entscheide mich für einen schattigen Platz auf der rechten Parkhälfte. Den Göppu lege ich ins Gras. Daneben eine scheinbar Mexikanische Decke mit akutem streifenförmigen Farbausschlag. Ich mache mich auf der Decke breit und lese. Etwas über Indien. Ich gucke kurz runter zu den Tamilen/Singhalesen. Die sind, soweit ich mich erinnern mag, teilweise auch in Südindien zuhause. Egal, ich lese weiter, etwas über Mumbai aka Bombay, die Sonne wandert zu meiner Decke.
Meine Schuhe schon exponiert, gleich kriegen die Strahlen meine Zehen. Ich schwitze, in blosser Erwartung. Die ersten Schweissperlen bilden sich am Haaransatz. Bald kullern diese wertlosen Perlen runter, zu den Ohren, manche in die Augen. Da sich die salzigen Schweissperlen mit der Sonnencreme (Avéne, auf Wasserbasis) vermischen, brennen meine Augen. Ich halte sie geschlossen. Zugekniffen. Das Hemd klebt, es verrutscht. Meine Arschspalte weißt eine gefühlte Temperatur von 46° Celsius auf. Die Decke schwitzt auch. Nein, eigentlich nicht die Decke, sondern ich, aber die Decke kriegt den Schweiss ab. Ich trinke, eine ganze Flasche, Wasserflasche. Dies erzürnt meinen Körper, er schwitzt noch mehr. Bäche vom Gesicht, auf der Brust, gar in den Kniekehlen. Ich stehe auf, schwankend. Die Shorts, pflotschnass, fallen ungehindert zu Boden. Nur noch die Boxer trage ich. Das Hemd, plötzlich viel zu gross, viel zu schwer. Der Schweiss fliesst. Die Grashalme um mich herum wachsen. Die Rosen hinter meinem grossen roten Flitzer entwickeln sich zu Diskusscheiben. Mein Indienbuch erreicht in Windeseile A3-Format. Ich erkenne blitzartig. Ich schrumpfe, entschwitze. Mein Körper zerfliesst unter der sonst scheuen Berner Sonne. Da die Boxershorts auch zu rutschen drohen, lege ich mich hin, auf die feuchte Decke. Der Hemdkragen überragt meinen Kopf, meine Augen auf Höhe der Knöpfe des Hemdes. Ich versuche ebendiese Knöpfe zu öffnen. Aber gross wie Stop-Schilder. Mit allerletzter Kraft murkse ich. Aber nichts, nichts geschieht. Ich gebe auf. Lege mich in mein feuchtes Hemd und schlafe ein.
Augen aufgerissen. Wir werden bombardiert. Wasserbomben schlagen auf mich, um mich herum ein. Hellwach, vor meinen Augen immer noch die Hemdknöpfe, aber ich wandere, ich expandiere. Mein Kopf erreicht den Hemdkragen. Die gigantischen Wassertropfen fallen bereits auf meine Stirn, jetzt in den Mund und dann schleckt eine 90 Zentimeter lange Zunge über meine Ohren, mein Kinn, meinen Mund. Ich rieche diese schrecklichen eingetrockneten Schweineohren. Plötzlich ein Schrei und das fellige Tier macht sich aus dem Staub, dem nassen Staub. Der Regen lässt mich wachsen, bald fülle ich auch meine Boxershorts wieder aus. Die Proportionen der Umgebung, das Gras, die Rosen, die Bäume, befinden sich wieder in der gewohnten Grösse. Nur das Buch, das Indienbuch, widersetzt sich diesem Trend. Aufgeklappt überragt es die mexikanische Decke. Buchstaben wie Hände. Ich lese „Her eyes were honest, and yet I knew there was a lot she wasn’t telling me. Her eyes were brave, and yet she was afraid. When I relented, and smiled at her, she laughed. I laughed, too.”
Das grosse Buch auf den Velogepäckträger montiert, schiebe ich das Fahrrad, neben den Indern-Singhalesn-Tamilen vorbei und fahre: Pferdewiese, Konsi, Kasernenwiese, zurück nach Hause. Dort reisse ich. Ich reisse alle Bücher aus dem Regal. Sanft setze ich das Indienbuch, welches noch tropft, ins Gestell. Nun steht es alleine dort.
Quelle Zitat: Shantaram, Gregory David Roberts, Abacus, London, S. 264
Ich tschaupe mit meinem scharlachroten Dreigänger (wobei nur ein Gang konsequent einsatzfähig ist) vom Typ “Sieger“ über die Wiese. Neben dem Konsi durch, rüber zur Pferdewiese, wo manchmal auch Ziegen herumtollen, und dann scharf rechts in den Rosengarten, auf dem Kiesweg in die Mitte des Rosengartens. Linkerhand spielen anatomisch intelligente Jungs Fussball, oben ohne. Wobei das “ohne“ am Füdle runterhängt. Wie ein Schwänzchen. Kaum zischt ein schärferer Schuss und die Ballannahme bedingt einen erkennbaren Körpereinsatz Richtung Ball, da fällt dieses Schwänzchen auf den Rasen und muss wieder korrekt angemacht werden.
Rechts eine Tamilen- oder Singhalesen-Familie. Mein ungeschärfter Blick erkennt den Unterschied nicht. Frage mich aber, wie dies wohl so ist, wenn sich Menschen aus Sri Lanka, aus den unterschiedlichen Teilen von Sri Lanka, hier in der Schweiz treffen. Wird da bloss höflich genickt? Werden einige Nettigkeiten ausgetauscht? Item. Die Leute sehen fröhlich aus und haben viele Essereien mitgebracht. Ein allfälliger Besuch einer Schweizer Familie könnte auch verpflegt werden. Aber die Schweizer sind wohl derzeit gerade nicht abkömmlich.
Ich entscheide mich für einen schattigen Platz auf der rechten Parkhälfte. Den Göppu lege ich ins Gras. Daneben eine scheinbar Mexikanische Decke mit akutem streifenförmigen Farbausschlag. Ich mache mich auf der Decke breit und lese. Etwas über Indien. Ich gucke kurz runter zu den Tamilen/Singhalesen. Die sind, soweit ich mich erinnern mag, teilweise auch in Südindien zuhause. Egal, ich lese weiter, etwas über Mumbai aka Bombay, die Sonne wandert zu meiner Decke.
Meine Schuhe schon exponiert, gleich kriegen die Strahlen meine Zehen. Ich schwitze, in blosser Erwartung. Die ersten Schweissperlen bilden sich am Haaransatz. Bald kullern diese wertlosen Perlen runter, zu den Ohren, manche in die Augen. Da sich die salzigen Schweissperlen mit der Sonnencreme (Avéne, auf Wasserbasis) vermischen, brennen meine Augen. Ich halte sie geschlossen. Zugekniffen. Das Hemd klebt, es verrutscht. Meine Arschspalte weißt eine gefühlte Temperatur von 46° Celsius auf. Die Decke schwitzt auch. Nein, eigentlich nicht die Decke, sondern ich, aber die Decke kriegt den Schweiss ab. Ich trinke, eine ganze Flasche, Wasserflasche. Dies erzürnt meinen Körper, er schwitzt noch mehr. Bäche vom Gesicht, auf der Brust, gar in den Kniekehlen. Ich stehe auf, schwankend. Die Shorts, pflotschnass, fallen ungehindert zu Boden. Nur noch die Boxer trage ich. Das Hemd, plötzlich viel zu gross, viel zu schwer. Der Schweiss fliesst. Die Grashalme um mich herum wachsen. Die Rosen hinter meinem grossen roten Flitzer entwickeln sich zu Diskusscheiben. Mein Indienbuch erreicht in Windeseile A3-Format. Ich erkenne blitzartig. Ich schrumpfe, entschwitze. Mein Körper zerfliesst unter der sonst scheuen Berner Sonne. Da die Boxershorts auch zu rutschen drohen, lege ich mich hin, auf die feuchte Decke. Der Hemdkragen überragt meinen Kopf, meine Augen auf Höhe der Knöpfe des Hemdes. Ich versuche ebendiese Knöpfe zu öffnen. Aber gross wie Stop-Schilder. Mit allerletzter Kraft murkse ich. Aber nichts, nichts geschieht. Ich gebe auf. Lege mich in mein feuchtes Hemd und schlafe ein.
Augen aufgerissen. Wir werden bombardiert. Wasserbomben schlagen auf mich, um mich herum ein. Hellwach, vor meinen Augen immer noch die Hemdknöpfe, aber ich wandere, ich expandiere. Mein Kopf erreicht den Hemdkragen. Die gigantischen Wassertropfen fallen bereits auf meine Stirn, jetzt in den Mund und dann schleckt eine 90 Zentimeter lange Zunge über meine Ohren, mein Kinn, meinen Mund. Ich rieche diese schrecklichen eingetrockneten Schweineohren. Plötzlich ein Schrei und das fellige Tier macht sich aus dem Staub, dem nassen Staub. Der Regen lässt mich wachsen, bald fülle ich auch meine Boxershorts wieder aus. Die Proportionen der Umgebung, das Gras, die Rosen, die Bäume, befinden sich wieder in der gewohnten Grösse. Nur das Buch, das Indienbuch, widersetzt sich diesem Trend. Aufgeklappt überragt es die mexikanische Decke. Buchstaben wie Hände. Ich lese „Her eyes were honest, and yet I knew there was a lot she wasn’t telling me. Her eyes were brave, and yet she was afraid. When I relented, and smiled at her, she laughed. I laughed, too.”
Das grosse Buch auf den Velogepäckträger montiert, schiebe ich das Fahrrad, neben den Indern-Singhalesn-Tamilen vorbei und fahre: Pferdewiese, Konsi, Kasernenwiese, zurück nach Hause. Dort reisse ich. Ich reisse alle Bücher aus dem Regal. Sanft setze ich das Indienbuch, welches noch tropft, ins Gestell. Nun steht es alleine dort.
Quelle Zitat: Shantaram, Gregory David Roberts, Abacus, London, S. 264
Abonnieren
Posts (Atom)