Donnerstag, 8. April 2010

Wo warst Du am Todestag von Robbie Williams?

Wo auch immer, Du kannst froh sein, dass Du nicht in meinen Schuhen warst. Meine Schuhe waren nämlich ungemütlich, damals vor fünf Jahren, also zwanzig-zehn.

Es ist 2010 und ich arbeite als Gärtner in Los Angeles. Dort herrscht Wasserknappheit und Farbenvielfalt. Ich mag die grüne Routine. Während der Advents- und Weihnachtszeit fallen mir die starrenden Menschen erstmals auf. Meist mit einem verzogenen Lächeln. Aber erst als mich eine Frau in der Strasse mit “Mr. Williams“ anspricht, realisiere ich die Tragweite. Ich eile nach Hause, nach Venice Beach und gucke in den Spiegel. Bisher hatte ich niemals dieses Problem gehabt. Die Ähnlichkeit ist erst mit dem Alter gewachsen.

Wie eine prominente Person auszusehen ist grundsätzlich komisch. Aber in Los Angeles ist es eine Tragödie. Berühmtheit ist hier das Produkt und nicht die Kunst. Mein Status war an das Verhalten dieses anderen Typen geknüpft. Keine Woche vergeht, ohne dass ekstatische Voyeure durch eine Hecke, einen Zaun auf den arbeitenden Gärtner starren. Freundliche Anfragen für ein Autogramm degenerieren rasch ins Unangenehme, wenn ich bemerke: “Glauben Sie wirklich, dass Robbie Williams seine Hände mit einem Kakteengarten schmutzig macht?“. In der nächsten Sekunde verändert sich der Gesichtsausdruck meines Gegenübers merklich, zerfällt, ins Allgemeine. Die wenigen Bekanntschaften, welche zu Freunden werden, sind Menschen ohne Kenntnis von Robbie Williams. Und wie viele davon gibt es? Es ist eine einsame Strasse bis einer von uns stirbt. Es folgen schwierige Zeiten, Obama kämpft gegen Palin im Wahlkampf. Eines Abends gehe ich Bixel Street runter und bleibe an einer Menschentraube vor einem Restaurant stehen. Das Restaurant wird gerade neu eröffnet, Bänder durchschnitten. Vorne die Promis, dann die Fotografen, noch weiter hinten die Gaffer und ich, ein weiterer Gaffer. Durch das Fenster sehe ich Williams. Er trägt einen körperbetonten Anzug. Ich will ihn fragen, meinen Erzfeind, ob er denn realisiere, wie viel Kummer er mir bereite? Also umgehe ich den Sicherheitsdienst und plötzlich stehe ich vor ihm. Sagen tue ich nichts. Ist auch nicht notwendig. Mein Gesicht spricht. Er schaut mich an, nimmt eine Serviette und schreibt seine Telefonnummer darauf.

Am nächsten Tag rufe ich Williams an. Er fragt: „Wie ist es ich zu sein.“. Ich antworte: „Beschissen.“ „Wie wäre es ich zu sein und dafür bezahlt zu werden?“ fragt er nach. Ich meine: „Weniger beschissen.“ Und so begann mein Leben als temporärer Robbie Williams.